Schwer schnaufende Vulkanesen

■ Der frühere Vulkan-Betriebsrat Bettelhäuser hat Asbestose - die Streiks gegen Asbest kamen für viele zu spät / "Asbest - die geleimten Opfer" (10)

Schwer schnaufende Vulkanesen

Der frühere Vulkan-Betriebsrat Bettelhäuser hat Asbestose – die Streiks gegen Asbest kamen für viele zu spät / “Asbest – die geleimten Opfer“ (10)

Werden Sie entschädigt?

Fritz Bettelhäuser: Nee, angeblich hab' ich nicht so schlimm Asbestose. Der Landesgewerbearzt hat mir in meine Berurteilung reingeschrieben, und das ist vom Gutachter Demedts gegengezeichnet worden, sinngemäß: Der Patient Bettelhäuser hat zwar Asbestose, aber es ist nicht so schlimm, wie er es darstellt. Wir können seine Darstellung nicht akzeptieren, weil man davon ausgehen muß, daß der Mann über Asbestkrankheiten so gut Bescheid weiß.

Der taz gegenüber sagen die Landesgewerbeärzte ja, daß sie einen tapferen, aber eher aussichtslosen Kampf mit den Berufsgenossenschaften führen.

Aussichtslos? Quatsch, die müßten nur den Schneid haben!

Merken Sie die Asbestose?

Wenn so beschlagenes Wetter ist, habe ich in der Brust immer das Gefühl, als wenn alles dicht ist, man hat dann Husten mit Auswurf. Und wenn wir wandern, dann komm' ich nicht so richtig mit, das strengt mich unheimlich an.

Asbestose, obwohl Sie als Betriebsrat viel freigestellt waren?

In den ersten Jahren doch nicht. Ich hab' früher auf dem Peildeck, also beim Schornstein, Maschendraht und Jalousien vor die Maschinenraum-Entlüftung gebaut, damit bei Seegang nichts in die Lüftung fällt. Und da haben wir das ganze Asbest aus der Maschine geschluckt, dort waren ja alle Rohre mit Blau-Asbest isoliert.

Die Wissenschaft weiß seit spätestens 1936, daß Asbest krank macht. Wußten die Vulkanesen das auch?

Nee, die Tischler hier haben ohne jeden Schutz die Asbestplatten geschnitten für die Feuerschutzwände zwischen den Kammern. Pffuuuh, das gab immer dicke Wolken! Die Platten haben dermaßen gemullt. Ja und dann hat uns 1974 die IG Metall in Hamburg aus dem Dornröschenschlaf geholt, indem sie eine große Sicherheitstagung nur über Asbest gemacht hat. Da waren wir gebügelt!

Gleich den nächsten Tag haben wir in der Tischlerei eine Versammlung gemacht und dann vier Tage gestreikt. So haben wir anderes Material durchgesetzt, war eben ein bißchen teurer. Den viertägigen Streik haben wir übrigens bezahlt bekommen, weil die Geschäftsleitung ihre Fürsorgepflicht verletzt hat: Die war schon zwei Jahre vorher vom Gewerbeaufsichtsamt aufgefordert worden, diese Platten nicht mehr zu verarbeiten. Das haben sie der Belegschaft nicht mitgeteilt!

Die Werft selbst haben Sie also durch Arbeitsverweigerung schrittweise asbestfrei gekriegt. Aber was war mit den Schiffen, die zum Umbau kamen?

Da muß ich Ihnen aber erst noch von unserem Kollegen Alsleben erzählen, ein ganz lieber Tischler. Der brauchte alle hundert Meter eine Wand oder ein Geländer, wo er sich dran anlehnen konnte, weil er absolut keine Luft mehr kriegte, der war völlig in Schweiß gebadet. Weil er nämlich Asbestose und Lungenkrebs hatte. Dem haben sie aber nur 20 Prozent „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ zugestanden. Also ist er weiter auf die Werft. Das muß man sich mal vorstellen! Nachher haben sie ihm nach Streit und Hin und Her 40 Prozent gegeben – der ist mit 40 Prozent gestorben! Da wußte jeder, daß das Betrug war!

Das wird noch den letzten überzeugt haben...

Aber nicht die Angestellten! Als die „United States“ kam, 1983, gab es eine Spaltung zwischen Angestellten und Gewerblichen. Die Gewerblichen haben gesagt, wir bauen das Ding nicht um. Ich war damals Betriebsratvorsitzender und bekam gleich eine Abmahnung.

Das war ein großer Auftrag?

Ja sicher, das wäre Arbeit für Jahre gewesen! Das war ja das Flaggschiff der amerikanischen Passagierschiff-Flotte. Die machten in ihrem Prospekt Reklame mit Asbest: Das Einzige, was brennt auf diesem Schiff, ist der Hackklotz des Metzgers. Und wir sollten das Schiff ausschlachten und dann umbauen. Haben wir nicht gemacht.

Wer hat das Schiff dann umgebaut?

Damals wollten das die Kollegen aus Hamburg von der HDW machen, weil die kurz vor der Schließung standen. Aber nur unter allen Sicherheitsbedingungen. Aber dann wäre der Umbau zu teuer geworden. Vor zwei Jahren ist es dann in der Türkei ausgeschlachtet worden. Toll, was!

Wissen Sie, wieviele der Vulkan-Arbeiter verseucht sind?

Den Verdacht einer Asbestkrankheit haben mindestens zwei-, dreitausend Kollegen. Bei Verdacht auf Asbestose kommt man dann entweder zu Frau Seehafer oder zu dem Gutachter Demedts. Der Demedts war früher mal ein toller Arzt, hat auch für den einen oder anderen richtig was durchgeboxt. Dann ist er Gutachter für die Berufsgenossenschaft geworden. Seitdem ist er ganz anders. Ich kenne mehrere Kollegen, wo er vorher gesagt hat, das setzen wir durch, mindestens 70 Prozent, und nachher, als er Arzt der Berufsgenossenschaft war, hat er nur 20 Prozent durchgesetzt.

Die hiesigen Vulkanarbeiter werden regelmäßig untersucht, aber was ist mit den Kollegen, die in die Türkei zurückgekehrt sind?

Die werden natürlich nicht mehr regelmäßig untersucht. Mein Kollege, mit dem ich zusammengearbeitet habe, der konnte nicht mehr, der ist zurückgekehrt. Jetzt ist er tot. Wegen Asbest.

Wie alt ist er geworden?

So 48 Jahre.

Gespräch: cis