Nachschlag

■ „Fashion for Aids“-Gala mit Hildegard Knef in der Volksbühne

Als Hildegard Knef letzten Freitag von Köln nach Berlin flog, begleitete sie David Richardson. Er mag ein halbes Jahrhundert jünger sein als sie und lebt in Miami. Die beiden haben sich vor 15 Jahren in Hollywood kennengelernt. Für David sind Hildegard Knef und ihr Mann wie Vater und Mutter. Seit neun Jahren ist David aidskrank, sein Freund starb vor drei Jahren daran.

In der Lufthansa-Maschine saßen vor Knef und Richardson zwei Männer im Anzug, die die Bild-Zeitung studierten – mit gesteigertem Interesse darin die Meldung, die Knef sei in Deutschland unterwegs mit einem aidskranken Freund. Ein verstohlener Blick nach hinten – und die Männer setzten sich zwei Reihen weiter weg. In der Sprache der Knef sind solche Männer „mit dem Virus der Dämlichkeit infiziert“. Sie küßt Davids Lippen, weil sie nicht dämlich ist und weiß, daß man davon kein Aids bekommen kann.

Foto: Günther Martin

Hildegard Knef, die immer noch ausschaut wie nach einer Frischzellenkur, diente Freitag nacht dem Verein Big Spender als Markenzeichen für eine Gala: „Fashion for Aids“. Der Erlös der Gala, moderiert von Désirée Nick, kommt einem Lighthouse zugute, in dem Aidskranke sorgenlos und unter Freunden sterben dürfen können. Ein Wundertüten-Programm strapazierte viereinhalb Stunden bis 3 Uhr früh die 800 Gäste. Selbst die Moderatorin wußte oft nicht, was kommt. Es kamen viele, alle ohne Entlohnung. Zahnspangentragende Cheerleaders aus Spandau, eine Abordnung der Berliner Philharmonie, ein Nackedei von Gosh, streichholzdürre Transvestiten aus Brasilien – und Romy Haag, mit Liedern für Männer, die ihren Sextrieb kaltgestellt haben.

Die Moderation der Nick war vom Feinsten. Nur einmal kam ihre mitleidlose Zickigkeit zum Vorschein. Als Hildegard Knef drei bodenständige Gedichte vorgelesen hatte, geleitete man sie zu einem Mann in der ersten Reihe, der ihr Rosen schenken wollte. Der Mann, höchstens 30, hatte Aids im Endstadium. Er heulte wie ein kleines Kind, als die Knef ihm über die Wange strich. Er heulte und heulte, und dann war sie doch bereit zu singen. „Für den jungen Mann in der ersten Reihe.“ Doch die Nick war unfähig, außerplanmäßig einen Klavierspieler bereitzustellen und schlug vor, erst mal weiterzumachen im Programm. Am Ende könne die Knef ja singen. Die sagte daraufhin „Ich verzichte“ – das Licht erlosch, Techno-Musik erklang zu Country- Mode. Der junge Mann heulte weiter. Aber das konnte man nicht hören, weil die Musik so laut war. Thorsten Schmitz