■ betr.: „Lieber Dany“, taz vom 9.12.94

Nach der Lektüre Cohn-Bendits hatte ich ja auf eine Stellungnahme der Grünen gewartet und prompt kam sie letzten Freitag in Form eines gemeinschaftlichen Briefes, wohl damit sich der Aussagewert erhöht...!? Was ich aber glaube, ist, daß es Cohn-Bendit weniger um die Manifestierung der neuen Einheitspartei auf Kosten billiger Erklärungen für ein weit über die Existenzgrenzen von Bihać liegendes Problem ging.

Ihr lieben Freunde von den Grünen: Habt Ihr die Namen Bihać, Srebreniće oder Sarajevo in Eurem Brief an Cohn-Bendit „nur“ vergessen, oder existieren diese Städte in den Landkarten der Grünen einfach nicht mehr? Seit über zwei Jahren wird nun schon darüber polemisiert, ob es rechtens ist, im ehemaligen Jugoslawien mit militärischen Mitteln einzugreifen. Jetzt scheint man sich endlich auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt zu haben. Zur Erinnerung: Selbst Ghandi hat Gewalt als allerletztes Mittel nicht ausgeschlossen. Norbert Krampitz, Berlin

[...] Die Leidensfähigkeit der Unterzeichner muß unermeßlich groß sein, daß sie eine solche unverfroren auch anderen zumuten können – in der Replik gegen Daniel Cohn-Bendit war kein Wort des Mitleids gegenüber den Leiden der bosnischen Bevölkerung, kein Wort der Solidarisierung, kein konkreter Aufruf zur Hilfe enthalten – aber wenn man sieht, wie Ihr „lieben Abgeordneten“ Euch selber polizeilich beschützen laßt (von bewaffneten Polizisten!) gegen eierwerfende Demonstranten und auf der anderen Seite damit einverstanden seid, daß die UNO- Schutzzonen von nahezu unbewaffneten Soldaten „geschützt“ werden sollen gegen mordende Banden, dann kann man eher auf Phantasielosigkeit (sehr milde gesprochen) plädieren.

Nein, wer sich wirklich für einen wirksamen Schutz für wirklich leidende Menschen einsetzt, kann sich wohl kaum noch auf eine grüne Partei berufen, die ihre Energie dafür einsetzt, ihre eigene Ideologie zu schützen gegen Mitglieder, die nicht voll konform mitlaufen. Christiane Berg, Münster