Mit Mißtrauen ins Weihnachtsfest

Am Mittwoch Abstimmungen über das Schicksal der Regierung Berlusconi / Verhalten der gespaltenen Liga Nord entscheidend / Wird Altpräsident Cossiga neuer Premier?  ■ Aus Rom Werner Raith

Nicht einmal ein felice natale, eine fröhliche Weihnacht, scheint Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi gegönnt. Drei Tage vor Heiligabend soll sich, nach dem Willen der Opposition und der abtrünnigen Liga Nord, das Schicksal der Rechtsallianz entscheiden: zwei, möglicherweise gar drei Mißtrauensanträge werden am heutigen Montag im Senat und im Abgeordnetenhaus eingebracht, und sie haben gute Aussicht auf Erfolg. Auch wenn Berlusconi inzwischen mit kräftigen Zugeständnissen an die ehemaligen Christdemokraten der Volkspartei und, so jedenfalls das Gemunkel aus der Liga, durch Spaltung der Dissidenten oder gar den Kauf von Abgeordneten seine Mehrheit noch einmal zu retten versucht.

Tatsächlich würde sich freilich auch mit einem Sturz der Regierung noch keineswegs die von vielen Seiten geforderte Klärung der Verhältnisse abzeichnen. Zwar haben die Dissonanzen innerhalb des Bündnisses, insbesondere der Spagat Berlusconis zwischen der zentralistischen Nationalen Allianz und der regionalistischen Liga Nord die Regierungsfähigkeit dieser Administration tatsächlich auf Null gebracht. Außerdem hat die Weigerung des Ministerpräsidenten, seine Interessenkonflikte als Regierungschef und Großunternehmer zu lösen, zur ständigen Verunsicherung von Wirtschaft und Börse und zum weiteren Vertrauensverfall im Ausland geführt.

Doch auch jede andere Allianz wird mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Die rechnerische Mehrheit, die sich aus einem Bündnis des oppositionellen fortschrittlichen Pools, der Volkspartei und den Ligen ergibt, wird durch die Unvereinbarkeit der Standpunkte von Ligen und den ungefähr gleich starken KP-Nostalgikern der Rifondazione comunista in Frage gestellt. Selbst eine Koalition mit den braven Linksdemokraten steht für viele Liga-Mitglieder nicht zur Diskussion. Zu alledem befindet sich auch die regionalistische Liga-Bewegung selbst vor der Spaltung: Am Samstag hat der ehemalige Chefideologe der Ligen, der hochangesehene Verfassungsrechtler Gianfranco Miglio, eine eigene förderalistische Bewegung ins Leben gerufen, der bereits zahlreiche ehemalige Gefolgsleute von Liga-Chef Umberto Bossi beigetreten sind.

So versuchen Bossi, der Chef der Italienischen Volkspartei, Rocco Buttiglione, und der Vorsitzende der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, derzeit eine Art Quadratur des Kreises. Ist Berlusconi einmal aus dem Amt, wollen sie eine „konstituierende Regierung“ bilden, die sich auf die Alltags-Administration beschränkt und als einzige große Aufgabe eine Neuformulierung der „demokratischen Regeln“ versucht. Darunter sind sowohl schärfere Antitrust- und Mediengesetze zu verstehen sowie ein neues Wahlverfahren, das durch die Entscheidung zwischen nur noch zwei Blöcken eine stabile Regierung ermöglicht. Möglicher Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in einer solchen Übergangsregierung wäre der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga.

Dieser stand bis zu seinem Amtsende 1992 in heftiger Fehde mit nahezu allen parlamentarischen Gruppen und war als Verfechter einer Art Präsidialrepublik nach französischem Muster verschrien. Dennoch würden ihn auch die Linksdemokraten schlucken, weil er wohl als einziger imstande wäre, die gemäßigten Teile der Rechten zu binden.

Dennoch würde eine solche Regierung die Ausschaltung sowohl der Neofaschisten wie der linksextremen Rifondazione comunista bedeuten. Just jene beiden Gruppierungem also, denen es dann im Zweifelsfall gerade am besten gelingen würde, ihre Anhänger auf die Straße zu bringen und mächtig Zoff zu machen. Ob unter solchen Umständen eine Verfassungsreform möglich wäre, scheint denn auch den Initiatoren der Mißtrauensanträge höchst fraglich. Und so bereiten sich klammheimlich alle auf Neuwahlen vor.