Olympiade der Verschwendung

■ Berlin will Chef der Olympia-GmbH dennoch entlasten

Auch wenn Berlin im Jahr 2000 die Olympischen Spiele nicht austragen wird, hat die gescheiterte Bewerbung doch bis heute hohen Unterhaltungswert. In jedem Monat werden aufs neue mehr oder weniger schmutzige Geschäfte und kleine oder große Geldverschwendungen bekannt: Ob nun der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) beim Besuch der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona eine Eintrittskarte vom Schwarzmarkt in seinem Jacket trug oder die von der Olympia- GmbH gemieteten aber zu einem Drittel ungenutzten Hotelzimmer in der Mittelmeerstadt 800.000 Steuermark kosteten – Belege über Belege reihen sich aneinander, die eine Geldverschwendung in Millionenhöhe erahnen lassen.

Die Senatskanzlei hat in einer 20 Seiten langen Liste Quittungen aus dem Jahr 1992 beanstandet und der Landesrechnungshof beschäftigt sich mit dem großzügigen Ausgeben der Zuschüsse aus der Landeskasse. Doch vergangene Woche forderten auch noch die Oppositionsparteien FDP und PDS einen Untersuchungsausschuß. Anlaß: Die Gesellschafterversammlung der GmbH will heute den Geschäftsführer der Olympia- GmbH in Liquidation, Axel Nawrocki, für das Geschäftsjahr 1993 entlasten – um die Gesellschaft endlich auflösen zu können. Für die beiden Jahre davor ist Diepgens Parteifreund trotz diverser offener Fragen bereits aus der Verantwortung entlassen worden.

200 Millionen Mark soll die Bewerbung für Spiele gekostet haben, die nun in Sydney stattfinden werden, hat die grüne Abgeordnete Michaele Schreyer zusammengerechnet. Nicht nur daß Nawrocki die hungerleidenden Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit neuer Garderobe ausstattete, nein, da ließ Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) auch siegesgewiß das Stadion der Weltjugend abreißen. Ein Ersatz in Berlins Mitte – mit Sportflächen unterversorgt – wird wegen fehlender Finanzmittel nun nicht mehr geschaffen.

Für Olympia war dagegen kein Geld zu schade. Die Spiele sollten einer Stadt eine neue Identität verschaffen, deren 3,4 Millionen Bewohner mit dem Verlust der Mauer das Lebensgefühl zwischen Westalliierten und Roter Armee abhanden gekommen ist. Olympia war eins von fünf großen Versprechen der Großen Koalition. CDU und SPD konnten bislang immerhin den Umzugstermin der Bundesregierung festzurren und gegen den Rest der Republik eine Angleichung der Gehälter für öffentlich Bedienstete im Ostteil der Stadt auf Westniveau bis 1996 durchsetzen. Doch die dringend nötige Reduzierung der 23 Berliner Bezirke ist vorerst gescheitert, und um die Fusion mit Brandenburg steht es ebenfalls schlecht.

Im Herbst kommenden Jahres sind Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Da stören die vier Untersuchungsausschüsse, die die Koalition bereits am Hals hat. Da geht es um die Überprüfung von Abgeordnetenkontakten zur Stasi, um rechtsradikale Verstrickungen der Freiwilligen Polizeireserve, um die Ermordung irakischer Oppositionspolitiker und um mißlungene Immobilienspekulationen der Flughafen-Holding. Wenn Diepgen heute unter die Olympia-Affaire – allein die Entwicklung des Olympia-Slogans kostete das Vierfache der geplanten 200.000 Mark – einen Schlußstrich ziehen möchte, überrascht das nicht. Doch auch damit wird er kaum verhindern können, daß weiter Amüsantes und Skandalöses aus Unterlagen an die Öffentlichkeit sickert, die der Olympia-Chef Anfang dieses Jahres nicht in den Reißwolf schicken ließ. Damit, daß verschwendete Gelder von der – bald aufgelösten – Olympia- GmbH oder von Diepgen als Aufsichtsratsvorsitzender der GmbH ersetzt werden, rechnet allerdings niemand. Dirk Wildt