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Sieglinde Hofmann vor neuem Prozeß?

■ RAF-Gefangene soll wegen Schleyer-Entführung und Haig-Anschlag noch einmal verurteilt werden / Pariser Gericht entscheidet über Auslieferungsbegehren

Berlin (taz) – Das höchste französische Verwaltungsgericht, der Conseil d'Etat, entscheidet Ende Januar oder Anfang Februar über die Zukunft der RAF-Gefangenen Sieglinde Hofmann. Erteilen die Pariser Richter die von der Bundesregierung beantragte „Auslieferungsbewilligung“, kann die 49jährige in einem neuen Prozeß wegen der Morde an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und seinen Begleitern (1977) und wegen des fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlags auf den Nato-Oberbefehlshaber Alexander Haig in Belgien (1979) angeklagt werden. Dann droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Verweigern die Franzosen, wie von Hofmann beantragt, das Begehren, kommt die Gefangene im Mai 1995 frei. Zu diesem Zeitpunkt hat die in Köln-Ossendorf Inhaftierte eine fünfzehnjährige Haftstrafe wegen der Erschießung des Chefs der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, abgesessen.

Das Auslieferungsbegehren und die von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe seit Jahren vorbereitete neue Anklage basieren vorrangig auf Aussagen der 1990 in der DDR festgenommenen RAF- Aussteiger Monika Helbing und Werner Lotze. Die hatten Sieglinde Hofmann übereinstimmend der Führungsgruppe der RAF während der Anschläge von 1977 und danach zugerechnet. Angeblich soll sie mit entschieden haben, Schleyer nach der Erstürmung des gekaperten Jets in Mogadischu und dem Tod der RAF-Gründer Ensslin, Baader und Raspe in Stuttgart-Stammheim zu erschießen. Für ihre Aussagen hatten die Aussteiger Strafnachlässe nach der umstrittenen „Kronzeugenregelung“ erhalten.

Das merkwürdige Auslieferungsverfahren gegen eine Frau, die seit 1980 in Deutschland einsitzt, war angestrengt worden, weil die Franzosen Sieglinde Hofmann seinerzeit nach ihrer Verhaftung in einer konspirativen Wohnung in Paris nur unter Vorbehalt den deutschen Fahndern übergaben. In Deutschland durfte sie deshalb nur wegen Mitgliedschaft in der RAF und versuchter Entführung mit Todesfolge verurteilt werden. Eine lebenslange Freiheitsstrafe blieb der RAF-Gefangenen damit 1982 erspart.

Kurz vor ihrer regulären Entlassung (und dem Absitzen der vorgeschriebenen Mindeststrafe) will die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nun mit neuem Belastungsmaterial das damals zwangsweise Versäumte nachholen. Nach einem Bericht des Spiegel haben zwei Gerichtsinstanzen und die Regierung in Paris dem deutschen Auslieferungsbegehren bereits zugestimmt. Jede andere Entscheidung des Conseil d'Etat wäre eine Sensation. Gerd Rosenkranz

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