■ Gegen das Warenprinzip
: Soziale Funktion

Das übliche Argument für eine Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen ist, daß der öffentliche Sektor nur aufzehrt, der private aber produziert. Nährend statt zehrend, privat statt öffentlich. Wird die Bahn privatisiert, gilt das Kosten-und-Gewinn-Prinzip, das Unternehmen wird endlich „rentabel“. Was genauso unsinnig ist wie die Behauptung, der öffentliche Sektor und seine Angestellten würden vom privaten Sektor finanziert. Beide tragen zum Bruttosozialprodukt bei. Die Angriffe auf die vermeintliche Ineffektivität des öffentlichen Sektors gehen von einem Effektivitätsmaßstab aus, der diesem nicht gerecht wird. Ein Musterbeispiel dafür, daß man mit den Annahmen, die man einfüttert, das Resultat bestimmt, das man haben will. Nehmen wir einen Mann, der sein ganzes Leben lang Krankenkassenbeiträge bezahlt hat, nie krank war und mit 70 Jahren Krebs bekommt. Will man den Ideologen für eine Privatisierung des Gesundheitswesens folgen, müßte sich der Arzt zu ihm setzen und eine Rechnung aufmachen, was eine Krebsbehandlung kosten würde. Dann müßte der Kranke selbst entscheiden, was er will. Der Arzt könnte ihm vielleicht erklären, daß er sich für die Kosten der Operation einen neuen Volvo kaufen und damit seine letzten Tage verschönern könnte. Das würde jedoch der gesellschaftspolitischen Absicht, das Gesundheitssystem zu einem allgemeinen Recht zu machen und eben nicht zu einer Ware, die man zu einem Produktionspreis kaufen kann, zuwiderlaufen. Die Effektivität des Gesundheitswesens beruht eben darauf, daß es seine soziale Funktion erfüllt. Dabei ist nicht entscheidend, ob es nach irgendeiner Marktwirtschaftstheorie „rentabel“ ist.

Rationell nennen die Ökonomen Handlungen, die darauf abzielen, den persönlichen oder unternehmerischen Eigennutz zu maximieren. Eine Definition, die in sich schon zu begrenzt ist, um auf öffentliche Dienstleistungen übertragen werden zu können. Weil – und das ist der andere logische Kurzschluß – diese gerade keine Waren sind: Sie werden nicht auf einem Markt verkauft, sondern haben für alle zugänglich zu sein. Unabhängig von Angebot und Nachfrage. Die behauptete Ineffektivität des öffentlichen Sektors aber geht genau von diesen Kurven aus: Gleichgewicht besteht da, wo Angebot und Nachfrage sich treffen. Dort wird auch der Preis durch die Marginalkosten bestimmt, und der Konsument erhält eine Ware zum „gerechten“ Marktpreis. Die Tatsache, daß diese Vorstellung von Marktwirtschaft eben nicht funktioniert, ist gerade der Grund dafür, daß alle Industrienationen sich einen öffentlichen Sektor aufgebaut haben. Jan Hellmark

Der Autor ist Soziologe bei der Angestelltengewerkschaft in Stockholm.