Sofias Sozialisten versprechen zuviel

■ Schon am Wahlabend dämpfen die siegreichen Ex-Kommunisten die in sie gesetzten Erwartungen

Budapest (taz) – Die bulgarischen Sozialisten haben die vorgezogenen Parlamentswahlen vom Sonntag mit einem deutlich höheren Ergebnis gewonnen als erwartet. Laut der vorläufigen Auszählung von 90 Prozent der Stimmen erhielten die „Bulgarische Sozialistische Partei“ (BSP) und ihre Partner aus dem Koalitionsblock, die „Bauernpartei“ sowie der „Politische Klub – Ekoglasnost“, 43,7 Prozent. Damit ist den Sozialisten gelungen, die absolute Mehrheit der 240 Sitze im Parlament zu gewinnen.

Während sie im Vergleich zu den Wahlen vom Oktober 1991 um 10 Prozent zulegten, verlor die radikal antikommunistische „Union der Demokratischen Kräfte“ (SDS) 10 Prozent. Sie kam am Sonntag auf 24 Prozent der Stimmen und wurde zur zweitstärksten Partei im Parlament. Auf den dritten Platz gelangte mit 6,5 Prozent die ebenfalls antikommunistische Koalition „Volksunion“, in der sich die „Demokratische Partei“ des ehemaligen SDS-Führers Stefan Sawow und eine Bauernpartei zusammengeschlossen haben.

Die Partei der türkischen Minderheit „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), zuvor drittstärkste politische Kraft, erhielt nur 5,4 Prozent der Stimmen. Wie die „Volksunion“ ist auch der „Bulgarische Business-Block (BBB), eine Unternehmerpartei, mit 4,8 Prozent zum ersten Mal im Parlament vertreten.

Die Koalition „Demokratische Alternative für die Republik“, die von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen gebildet wird, erreichte lediglich 3,9 Prozent und hat nur noch geringe Chancen, die Vierprozenthürde zu überspringen. An der Hürde scheiterten auch alle restlichen 42 Parteien und Wahlverbände.

Shan Widenow, der 35jährige Chef der Sozialisten und voraussichtlich neue Regierungschef, sagte nach dem Wahlsieg seiner Partei, die Sozialisten wollten sich, selbst wenn sie die absolute Mehrheit erreichen würden, um eine möglichst breite Koalition im neuen Parlament bemühen. Während die BSP mit ihrem Übergewicht eigentlich nicht zu größeren Zugeständnissen gezwungen wäre, könnte sie so dem unangenehmen Bild einer alleinherrschenden exkommunistischen Partei vorbeugen. Drei der im neuen Parlament vertretenen Parteien, die SDS, die „Volksunion“ und die DPS, haben einem Koalitionsantrag der Sozialisten jedoch schon eine klare Absage erteilt.

Der Sozialisten-Chef Widenow versuchte am Sonntag abend auch, die Erwartungen der Wähler zu dämpfen. Er warnte vor übertriebenen Erwartungen und sagte, angesichts der schweren Wirtschaftskrise werde es keinen schnellen, grundlegenden Wandel geben. Daneben versprach Widenow eine Kontinuität der bisherigen bulgarischen Außenpolitik, vor allem auf dem Balkan und bei der europäischen Integration des Landes.

Trotz dieser Aussage könnte die russische Politik in Zukunft eine größere Rolle in Bulgarien spielen. Nicht nur die BSP, sondern auch Widenow selbst unterhält ausgezeichnete Beziehungen zu russischen Politikern.

Führer der beiden antikommunistischen Blöcke SDS und „Volksunion“ warnten ihrerseits vor der Rückkehr der Kommunisten an die Macht. Sie riefen dazu auf, daß alle demokratischen Parteien im Parlament zusammenarbeiten sollten. Keno Verseck