Stärkung oder Abzug der Unprofor in Bosnien?

■ Die Maßnahmen, über die die Nato-Staaten seit gestern in Den Haag diskutieren, sind Voraussetzung für beide Szenarien / Rußland für Stärkung der Schutztruppen

Genf (taz) – Stärkung oder Abbruch der Unprofor-Operation in Bosnien? Die Maßnahmen, über die die Generalstabschefs der neun an der UNO-Truppe beteiligten Nato-Staaten sowie der Vereinigten Staaten, Italiens und Deutschlands seit gestern in Brüssel diskutieren, sollen offiziell zwar einer Stärkung der UN-Schutztruppen dienen. Doch fraglich ist, ob hierzu tatsächlich die politische Bereitschaft in London und anderen Hauptstädten besteht. Auf jeden Fall wären die diskutierten Maßnahmen auch notwendige Voraussetzung für einen Rückzug der UNO-Soldaten.

Gestern nahm bereits der russische Nato-Botschafter Tschurkin an den Beratungen teil. Nach Angaben aus niederländischen Delegationskreisen soll er sich angeblich für einen Verbleib der Unprofor und für ihre Stärkung ausgesprochen haben. Heute werden in Brüssel auch die Generalstabschefs anderer Staaten mit UNO-Soldaten in Bosnien erwartet (Schweden, Ägypten, Malaysia, Ukraine, Tschechische Republik, Pakistan und Jordanien).

Auf Basis eines ursprünglich französisch-amerikanischen Vorschlages werden in Brüssel sechs Maßnahmen diskutiert. Die umfangreichste – die wahrscheinlich auch die Entsendung zusätzlicher Unprofor-Soldaten erforderte – ist die Schaffung eines militärisch gesicherten Landkorridors für Hilfstransporte von der kroatischen Adria-Stadt Split nach Sarajevo. Im Falle eines Abbruchs der Unprofor-Operation könnte dieser Landkorridor auch dem Abtransport der schweren Waffen und Fahrzeuge der UNO-Soldaten dienen.

Die Öffnung und militärische Sicherung des Flughafens Sarajevo, über den seit Kriegsbeginn im April 1992 – häufig wochenlang unterbrochen – Hilfslieferungen eingeflogen werden und der Austausch von Unprofor-Verbänden stattfindet, ist auch Grundlage für die Nato-Planspiele, zur Sicherung eines eventuellen Unprofor-Abzugs bis zu 45.000 zusätzliche Soldaten zu schicken.

Mit einer Änderung der Kriterien für Nato-Lufteinsätze soll die westliche Allianz unabhängiger von der UNO werden. Verstärkte Lufteinsätze werden sowohl mit Blick auf einen verbesserten Schutz der UNO-Soldaten bei Fortsetzung ihrer bisherigen Operationen wie zur Sicherung ihres Abzuges erwogen. Mit Blick auf beide Szenarien werden auch die Konzentration der 23.000 UNO- Soldaten von derzeit einundzwanzig auf vier bis fünf Stationierungsorte erwogen, ihre Ausrüstung mit schwereren Waffen sowie die Änderung ihrer bislang auf defensives Verhalten ausgelegten Einsatzrichtlinien. Andreas Zumach