Unfreundliche West-Bezirksämter

■ Eine Studie der Fachhochschule für Verwaltung und Recht ist für manche Bezirksbehörde eine bittere Pille / In Westberlin mangelt es an Freundlichkeit

Wer hat die schnellsten, freundlichsten und kompetentesten Verwaltungen? Erstmals wirbelt jetzt eine Studie der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) den Staub in den Amtsstuben auf. Die Ergebnisse eines Soziologieprojekts, bei dem im Winter 1993/94 Studenten 6.482 Berliner befragten, bringt für manche Behörden wenig Schmeichelhaftes zutage. Insbesondere Kreuzberg, Neukölln und Wedding werden schlechte Noten erteilt. Noch nicht einmal 50 Prozent fühlen sich dort freundlich behandelt. Zum Vergleich: Mit dem Bezirksamt Weißensee – das im Rahmen der Verwaltungsreform zum Modellbezirksamt auserkoren wurde und ein Bürgeramt erhielt – waren 73 Prozent in diesem Punkte zufrieden. Dicht dahinter folgten Hellersdorf, Treptow, Hohenschönhausen und Lichtenberg. Auch beim Stichwort „Hilfsbereitschaft“ heimsten Kreuzberg und Neukölln die schwächsten Werte ein. Wiederum waren es die Ostbezirke Hohenschönhausen, Weißensee und Hellersdorf, die hier den stärksten Zuspruch erhielten.

Daß bei Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft Ost- und Westwerte derart weit auseinanderklaffen, führt der FHVR-Soziologieprofessor Jochen Schulz zur Wiesch auf die veränderten Umgangsformen in den ehemaligen DDR-Verwaltungen zurück. Kurz gesagt: Wer die Behördenmentalität früherer Zeiten nicht vergessen hat, wird die neuen Töne dankbar honorieren. Allerdings scheint Bürokratismus noch immer eine der Kinderkrankheiten der Ostverwaltungen zu sein. Glaubt man den Ergebnissen der Studenten, attestieren 80 Prozent aller Befragten in Prenzlauer Berg und 79 Prozent in Hohenschönhausen ihren Verwaltungen „bürokratisches Verhalten“. Bürger in Tiergarten und Zehlendorf halten ihre Verwaltungen nicht nur für unbürokratisch, sondern sind auch mit der Bearbeitungszeit in der Regel zufriedener. Das widerspricht zumindest den Erfahrungen, die Antragsteller in Wedding, Prenzlauer Berg und wiederum Kreuzberg gemacht haben. In allen drei Bezirken waren über 60 Prozent der Befragten der Meinung, die Bezirksämter arbeiteten zu schleppend.

Was die Wunschliste nach einer besseren Verwaltung angeht, unterscheiden sich Ost- und Westberliner deutlich voneinander: Während im Osten 50 Prozent für längere Öffnungszeiten plädieren, halten dies nur knapp 40 Prozent der Westberliner für erforderlich. Auch bei den Anforderungen an die Behördenmitarbeiter klaffen die Vorstellungen auseinander: Mehr Kompetenz wünscht sich der Bürger im Osten, mehr Freundlichkeit sein Pendant im Westen.

Keine Sympathien löst die seit Jahren diskutierte und in dieser Legislaturperiode wieder einmal verschobene Gebietsreform aus. 45 Prozent stimmten für die Beibehaltung der 23 Bezirke, rund 30 Prozent wollen eine Reduzierung. Auffällig, aber angesichts der Arbeitslosenzahlen wohl nicht weiter verwunderlich, ist der Umstand, daß fast 80 Prozent aller Ostberliner Beamten sich für den Erhalt des Status quo aussprachen. Unter den Westkollegen waren es 48 Prozent. Severin Weiland