Berufungsverfahren gegen Adass Jisroel

■ Senat anerkennt Gemeinde nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts

Für die jüdisch-orthodoxe Gemeinde Adass Jisroel hatte der Senat gestern gleich eine gute und eine schlechte Nachricht parat. Zwar soll die nach eigenen Angaben 990 Mitglieder starke Gemeinde im kommenden Jahr mit jährlich rund zwei Millionen Mark aus der Landeskasse institutionell gefördert werden. Einer entsprechenden Vorlage, die bis Ende Januar vorgelegt werden soll, muß das Abgeordnetenhaus noch zustimmen. Zugleich wurde jedoch die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts versagt. Gegen eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Oktober dieses Jahres, das Adass den Status zuerkannt hatte, geht das Land nun in Berufung.

Adass Jisroel war 1986 in der DDR durch ihren heutigen Vorsitzenden Mario Offenberg wieder aktiviert worden. Er sieht seine Gemeinde als Rechtsnachfolgerin der 1885 gegründeten Adass Jisroel. Diese hatte vom damaligen König Wilhelm von Preußen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts erhalten. 1939 wurde Adass von den Nazis aufgelöst, viele ihrer 30.000 Mitglieder starben in den Konzentrationslagern. Obwohl die Gemeinde zwischen 1945 und 1986 nicht existierte, war das Verwaltungsgericht im Oktober vom Fortbestehen der alten Körperschaft ausgegangen.

Eine Entscheidung, die nach Ansicht des Senats eine Reihe rechtlicher Fragen unberücksichtigt lasse, die vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt werden sollen. Denn im Luxemburger Abkommen von 1952 zwischen der Bundesregierung und der Jewish Claims Conference (IRSO), so Kultursenator Ulrich Roloff-Momin gestern, seien die Diskontinuität jüdischen Lebens in Deutschland nach dem Holocaust festgestellt und jüdische Gemeinden als Neugründungen definiert worden. Nach den Grundsätzen des Abkommen sei das Vermögen der ehemaligen Gemeinden zur Finanzierung des Wiederaufbaus und zur Opferentschädigung eingesetzt worden. Diese Aspekte habe die Kammer nicht berücksichtigt.

Das Urteil hätte in seiner jetzigen Fasssung noch einen Nebeneffekt: Sollte es nicht geändert werden, könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden, der eine ganze Prozeßlawine in ähnlichen Fällen auslöst. Im Hintergrund des Rechtsstreits steht auch der seit Jahren andauernde Kleinkrieg zwischen der Jüdischen Einheitsgemeinde und Adass Jisroel. Die Einheitsgemeinde fürchtet um eine Zersplitterung des jüdischen Lebens in Deutschland, während Adass auf die „pluralistische Verfaßtheit“ pocht, wie Offenberg gestern erklärte. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, sprach erst kürzlich Offenberg jede Legitimation ab, als Nachfolger von Adass zu sprechen. Severin Weiland