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Citizen Kirch

■ Auf der Spur des Mediengiganten Kirch (21.45 Uhr, ARD)

Fast zeitgleich mit dem Erscheinen eines neuen Buchs über die Karriere Leo Kirchs vom fränkischen Winzersohn zum bundesdeutschen Medienmogul beschäftigt sich auch die ARD am Mittwoch um 21.45 Uhr mit ihm. „Kirch Royal – Auf der Spur des Mediengiganten“ heißt der Film der WDR-Journalisten Jürgen Bevers und Jochen Dietrich.

Dabei ist es auch dem WDR nicht gelungen, von Kirch ein Interview zu ergattern, der sich seit 1987 konsequent jeder Öffentlichkeit entzieht. Kirch wirkt lieber im verborgenen, vor allem über Beziehungen und Freundschaften, zu denen bekanntlich auch der amtierende Kanzler gehört. Statements von Freund und Feind sollen also die Person Kirch ausleuchten. Da äußert sich August Everding fast devot über seinen ach so sensiblen Freund, und auch die Bewohner seines fränkischen Heimatdorfes lassen nichts auf „unsern Leo“ kommen, der einmal jährlich in die Stätte seiner Jugend pilgert.

Wie in jeder guten Soap-opera dürfen auch die Intimfeinde nicht fehlen, RTL-Chef Thoma grantelt wieder mit österreichischem Schmäh, der Berliner Medienwächter Hans Hege kritisiert kühl Kirchs undurchschaubares Sendergeflecht, und der geschaßte Springer- und Sat.1-Mitarbeiter Gerhard Naeher zieht auch vom Leder.

So richtig schön wird's dann, wenn Kirchs Geschäftsführer Jan Mojto vor laufender Kamera per Telefon die Anweisung vom Boß bekommt, das Interview sofort abzubrechen. Das WDR-Team wird prompt vor die Tür gesetzt.

Nur in einer Fußnote behandelt „Kirch Royal“ allerdings den Beitrag von ARD und ZDF beim Aufstieg Kirchs. Immerhin war er in den sechziger und siebziger Jahren Hoflieferant der Öffentlich-Rechtlichen für Filme und Serien. Auf der Pressevorführung kamen die Autoren und der zuständige Redaktionsleiter Werner Filmer bei dem Versuch, diesen Mangel zu erklären, ziemlich ins Schwitzen. Man habe nicht genügend Sendezeit gehabt und mußte deshalb auch ein Interview mit dem ZDF- Intendanten Dieter Stolte wieder herausschneiden.

Für ein salbungsvolles Statement des ARD-Chefs Jobst Plog reichte die Sendezeit jedenfalls. Der warnt vor italienischen Verhältnissen bei uns. Daß derweil ARD und ZDF auch weiter gut mit Kirch im Geschäft sind, erzählt der Film leider nicht.

Trotz aller Gelassenheit, mit der Kirch auf Kritiker reagiert, war ihm der Film anscheinend so wichtig, daß er eigens einen Emissär seiner Stammfirma Taurus zur Pressevorführung des WDR schickte. Besonders geschockt wirkte der schweigsame Mann allerdings danach nicht. Philippe Ressing

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