Mit Teilungsplänen auf du und du

Der Vorschlag eines viermonatigen Waffenstillstands für Bosnien kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es den Serben vor allem um die Festschreibung ihrer Eroberungen geht  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Nur scheinbar zeigt die Verhandlungstätigkeit des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter im umkämpften Bosnien Wirkung: Zwar erklärte Serbenführer Radovan Karadžić gestern nachmittag seine „grundsätzliche Bereitschaft“ zu einem Waffenstillstand in der ganzen Republik. Angesichts der zahlreichen Brüche von Waffenruhen seit Beginn des Krieges allerdings hält sich die Hoffnung auf ein tatsächliches Ende der Kämpfe in Grenzen, zumal Karadžić noch am Montag seine alte Forderung wiederholt hatte, wonach dies nur nach einem vertraglich vereinbarten Ende der Feindseligkeiten möglich sei. Dahinter steht nach Ansicht von Beobachtern die Absicht der Serben, ihre bisherigen Eroberungen – rund 70 Prozent des bosnischen Territoriums – festzuschreiben.

Der vielzitierte „Friedensplan“ der Kontaktgruppe besteht derweil weiterhin aus einer einzigen Landkarte, auf der Bosnien im Verhältnis 51:49 zwischen der muslimisch- kroatischen Föderation und den bosnischen Serben aufgeteilt ist. Die Kontaktgruppe, eine Initiative der USA, Rußlands, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands, präsentierte die Karte im Juni 1994 ursprünglich als „nicht verhandelbar“. Konkret heißt das, daß erst dann über Verfassungsregeln, etwaige konföderative Beziehungen der Pale-Serben zu Serbien etc. verhandelt werden kann, wenn die Karte durch beide Kriegsparteien aufgenommen wurde.

Die bosnische Regierung akzeptierte die Teilungskarte schon damals ohne Einschränkung, die serbische Führung in Pale dagegen lehnt sie bis heute ab. Bei einem Treffen am 2. Dezember in Brüssel vereinbarten die Außenminister der Kontaktgruppenstaaten daraufhin erhebliche Konzessionen an die serbische Seite, die bislang nicht veröffentlicht wurden und nur als vertrauliche Richtlinien der Außenminister an ihre Bosnien- Experten existieren. Entsprechend dieser Richtlinien, die der taz vorliegen, wurde den Pale-Serben eine Konföderation ihres künftigen bosnischen Gebietsteils mit Serbien angeboten – allerdings bei gleichzeitiger Weiterexistenz Bosniens in seinen international anerkannten Grenzen. Auch braucht Karadžić die Grenzlinien der Kontaktgruppen-Karte nicht akzeptieren, sondern könnte den Austausch einzelner Regionen vorschlagen, solange es im Endeffekt bei einer Aufteilung des bisherigen bosnischen Territoriums von 51:49 bleibt.

Erst wenn dieser Gebietsaustausch sowie alle Details einer Konföderation mit Serbien zu ihrer Zufriedenheit geklärt sind, müssen die Pale-Serben ihre Truppen auf den dann vereinbarten 49-Prozent-Anteil Bosniens zurückziehen. Doch diese von Karadžić bei seinen Gesprächen mit Carter als „Brüsseler Variante“ bezeichnete Veränderung des Kontaktgruppen-Plans zu ihren Gunsten reicht den Pale-Serben nicht. Wie schon zu Beginn der Genfer Jugoslawien-Verhandlungen im September 1992 verlangen sie knapp 64 Prozent Bosniens. Konkret: mindestens ein Drittel Sarajevos, die Überlassung der drei ostbosnischen Enklaven Goražde, Srebrenica und Zepa, in denen derzeit noch rund 200.000 Muslime leben, eine Verbreiterung des serbischen Landkorridors bei Brčko, einen eigenen Landzugang zur Adria sowie einige Industriezentren, die auf der Kontaktgruppenkarte der muslimisch- kroatischen Föderation zugeschlagen wurden. Zudem bestehen die Pale-Serben auf Verfassungsvereinbarungen, die ihnen nicht nur eine sehr weitgehende Konföderation mit Serbien ermöglichen, sondern – nach einer gewissen Frist – auch die völlige Abspaltung von Bosnien.Siehe Seite 10