■ Schirm & Chiffre
: BerlinNet für Dummies (2)

Der Einstieg liegt hinter uns. Ein letzes Mal grüßten wir die Welt der Briefmarken und Einschreiben, dann waren wir auch schon mittendrin in den unendlichen Verzweigungen des Netzwerkes. Unsere erste Anlaufstelle ist das Postfach „Link-B36“ – eine nichtkommerzielle Mailbox, deren BetreiberInnen („System OperatorInnen“) vor allem Themen aus dem links-alternativen Bereich anbieten.

So ein „SysOp“ hat ein hartes Leben. Ständig muß er für „die optimalen routings“ sorgen. Irgendwie braucht die Box das, damit die News und Mails die richtigen Wege finden. Außerdem ist ein SysOp dafür da, die Fragen von (nix blickenden) TeilnehmerInnen zu beantworten. Und ganz nebenbei muß er natürlich noch ein Auge darauf haben, daß die Festplatte von seinem Rechner nicht überläuft.

Soweit der Novize das beurteilen kann, macht „Link-B36“ einen rundum guten Eindruck. Alles sehr gepflegt. Die Nachrichten sind fein säuberlich auf hierarchisch angeordneten „elektronischen Brettern“ abgelegt. Das Brett der regionalen Berliner News-Group zum Beispiel heißt schlicht: „/bln“. Eine Untergruppe davon: „/bln/politik/rassismus“. Überregionale Bretter bringen Infos über die Anti-Atom-Bewegung oder Dritte-Welt-Nachrichten, die aktuell aus Netzen in den jeweiligen Ländern importiert werden. Eine feine Sache.

Beim weiteren Umherstreifen stößt der Netz-Voyeur dann auf die offenen Diskussionsbretter. In „/bln/misc“ löst eine Virus- Warnung mittelschweres Entsetzen aus. Internet-Mails, die mit den Worten „Good Time“ beginnen, sofort löschen – sonst wird der Chip gekillt! Na, klasse – aber schon die nächste Nachricht entlarvt die Geschichte als Ente. Sehr verwirrend das!

Ansonsten hält sich im Brett schon seit Wochen eine Diskussion über Scientology. Immer wieder mit dabei ist Kai, der seine Texte mit einem hübschen Logo „logout facism“ unterzeichnet und außerdem jedesmal eine neue Folge von „des Helden letzte Worte“ dazugibt: „,Don't let Odin see this ugly act‘ – ,Fæk this damned Odin!‘ – – kawoommm – – .“ Schön, aber kryptisch.

Anderswo werden noch verwegenere Themen aufgerollt. Im Brett „/Freie Liebe/Hetero“ hat ,Feili‘ („Moin, moin alle daheim!“) die Tampon-oder-Binde-Frage gestellt und damit eine Lawine von Antwortschreiben („follow ups“) losgetreten. ,Red- Baron‘ zum Beispiel „setzt zum geistigen Höhenflug“ an: Ihn würde es stören, wenn es „unter ihm immer knistert“. Er plädiert für Tampons.

Ein anderer Netzwerker weiß zu berichten, daß Frauen früher mittels „salbenbestrichener Besenstiele über die Geschlechtsorgane halluzinogene Drogen aufnahmen“. Wieder andere schildern Beziehungsprobleme, suchen Rat oder „Tips“ für die Defloration. – Männer unter sich. Kein Wunder, daß Frauen inzwischen eigene Boxen gegründet haben („Femail“ in Ffm). Aber das nur am Rande.

Apropos Rand: Bald ist Weihnachten. Zeit der Gaben und Geschenke. Also haben wir uns gedacht, daß wir in der nächsten Dummie-Folge selber mal eine E-Mail netzwerkeln wollen. Bis dahin!

P.S.: Kaum zu glauben, es hat geklappt! Wir haben Mail empfangen!! Björn bedankt sich für die Bekanntgabe der taz-Adresse. Nichts für ungut. Machen wir doch gern. Also noch mal: taz6link-b36.berlinet.in-berlin.de. Martin Muser