■ Linsen Soufflé
: Der gute alte Serienmörder ist nicht totzukriegen

Zu früh gefreut! Gerade dachten wir noch, nach Oliver Stones „Natural Born Killers“ sei der Ofen jetzt endlich aus für Serienmörder, Psychopathen mit Kettensägen, Soziopathen mit Magnums (Blei statt Schokolade) und anderen Schlächtern der Leinwand, da buddeln sie doch den berühmtesten dieser Irren samt seinem Rasiermesser wieder aus. Gut, ein „Schweigen der Lämmer II“ hätten wir uns ja noch gefallen lassen, aber gleich zwei neue Filme über Jack the Ripper? Muß das sein? Falsche Frage. Die richtige lautet: Ist mit dem alten Jack noch ein Dollar zu machen? Buena Vista meint ja und kaufte die Filmrechte an „From Hell“, einem Script nach den blutrünstigen Ripper-Romanen von Alan Moore. Etwas spannender verspricht der Coup zu werden, den das Independent-Studio New Line vorbereitet. Sie haben nach zähem Ringen, neun Monate sollen die Verhandlungen gedauert haben, die Rechte an „The Diary of Jack the Ripper“ gekauft. Das allein ist noch nicht besonders beachtenswert, aufregender ist der Regisseur, den sie verpflichtet haben: William Friedkin, der Mann, der den 70er-Jahre-Gruselhit „Der Exorzist“ inszenierte, is back in hell. Friedkin jubelte dann auch gleich los. Das „Tagebuch“ sei „der gruseligste Filmstoff, den ich je in den Händen hielt“, Horror in den tiefen Abgründen der Liebe usw., eben all die Reklamesprüche, die Angestellte abspulen, wenn sie Auftragsarbeiten zu erledigen haben. Bekanntlich wurde der Londoner Hurenschlitzer nie gefaßt, die Spekulationen und die Geschichten konnten blühen und wild wuchern. Mal war Jack ein berühmter Arzt, mal ein Mitglied der Königsfamilie, ein Polizist oder ein Außerirdischer. Bei dem „Tagebuch“ soll es sich um die Aufzeichnungen des Geschäftsmanns James Mabrick aus dem Jahre 1888 handeln. In ihnen offenbart er sich als der wahre Dirnenmörder von Whitchapel. Das Britische Museum untersuchte das Originalmanuskript und bestätigte, daß es tatsächlich aus dem 19. Jahrhundert stammt. Doch Ripper-Spezialisten bezweifeln stark, daß Mabrick der wahre, der echte Killer ist. Friedkin will sich auf das Privatleben des William Mabrick konzentrieren. Der soll übrigens die Morde – was für eine Überraschung – aus Frauenhaß begangen haben. Seine Ehefrau war an allem schuld: Sie war Amerikanerin und hatte ständig Affären mit anderen Männern. Kurz nach den Ripper-Rachetaten wurde Mabrick von ihr vergiftet. Frauenfeindlich? Wahrscheinlich. Aber wenn die Dollars fließen sollen, muß erst einmal Blut fließen, und zwar am liebsten das – wir kennen Hollywood – von Frauen. Schauen wir mal, was Friedkin aus der Peinlichkeit macht. Olli Stone weicht auf jeden Fall keiner Peinlichkeit aus. Nachdem aus seinen Projekten „Alexander der Große“, „Noriega“ und „Evita“ nichts geworden ist und sein „Natural Born Killers“ so ein Kassenschlager wurde, wendet auch er sich kurzentschlossen einem alten Bekannten zu. Der Film heißt „The Alienist“ nach dem gleichnamigen Roman von Caleb Carr. Es ist die Geschichte eines bestialischen Serienmörders, sie spielt nicht in London, sondern in New York, dafür aber ebenfalls im 19. Jahrhundert. Karl Wegmann