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■ Filmstarts à la carteSprung im Familienporzellan

Wenn Sie Weihnachten traurig sind, werden Sie im Kino in aller Regel noch trauriger, da helfen weder Jules noch Jim. Einige Kinos aber bieten Ihnen Unterschlupf und hochmögende Gleichgesinnte. Als Weihnachtsprogramm jedenfalls bot das Arsenal Dekalog, Krzysztof Kieslowskis Gebotpalette, diesmal natürlich das dritte: Du sollst den Feiertag ehren. (Schon vorbei, wollt's nur spaßeshalber noch einmal berichten.)

Ich kann mich immer nicht entscheiden, welche Wirkung eigentlich Billy Wilders The Apartment auf einen hat, so rein Kubelik-mäßig. Möchte man sich danach erst recht hinter den Zug werfen, oder beginnt man sich in die privaten Notlösungen zu verlieben. Der schönste Film im Weihnachtsprogramm ist zweifelsohne der viel zu selten gespielte The Dead von John Houston, die einzig angemessene James-Joyce-Verfilmung wo gibt.

Einem seltsamen Ritual folgend, das die Beteiligten ebenso schützt wie einbalsamiert, laden Tante Julia und Tante Kate wie jedes Jahr am Dreikönigstag ihre Lieben zu sich. Gegen Ende gibt es eine vor dem mondbeschienenen Fenster spielende „Abschiedszene“, die einem einen Sprung ins Familienporzellan fräst, so traurig ist sie.

Ob die Sneak-Preview am 26.12. im Moviemento endlich Spike LeesCrooklyn bringt, auf den man nun schon wochenlang vergebens gewartet hat? Wohl kaum. Der Verleih teilte gerade mit, mit dem Start sei nicht vor Februar zu rechnen!

Ansonsten zeigt das Moviemento Atom EgoyansExotica, über den hoffentlich das Notwendige im heutigen „Daumenkino“ auf den überregionalen Kulturseiten gesagt ist.

Weil ihnen vom letzten Wahlkampf noch der Schreck in den Gliedern sitzt – ob dessen Bißlosigkeit –, veranstalten die Babylonier nun eine Reihe Der Papagei und andere Politiker. Mit dabei natürlich das Mr. Smith Goes to Washington-Remake Dave, bei dem ein unbescholtener Präsidenten-Look-alike plötzlich auf dessen Stuhl katapultiert wird und alles zum Rotieren bringt, weil plötzlich Ehrlichkeit aufkommt (und das von Kevin Kline). Daß „Ich“ fast immer ein Alien ist, merkt auch seine Ehefrau (Sigourney Weaver), die sich so nett im eisekalten Repräsentieren eingerichtet hatte und nun plötzlich wieder echte Küsse gibt und nimmt. Wer keine Pentagon-Affäre erwartet, kommt auf seine Kosten.

Im Anschluß und gen Weihnachten Bob Roberts, das Wahnsinnsspektakel um den präsidentelnden Country-Sänger, der eine höchst Ross-Perot-kompatible Version von Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“ hervorbrachte. Gespielt fabulös von Tim Robbins, der einfach wie kein zweiter diese gewisse naive Schmierigkeit hinkriegt. Wer sein privates Programm vervollständigen möchte, kann sich ja Unforgiven bei Videodrom oder sonstewo ausleihen, wa.

Ach könnte doch unsere Autorin Anke Westphal jetzt hier sein. Die hätte ein paar passende Worte zur Dschingis-Aitmatow- Verfilmungs-Retro im Acud- Kino. Aitmatow war im Grunde ein früher Grisham, fast alle seine Werke sind verfilmt worden; ihre Kenntnis scheidet aber noch heute den Ossi vom Wessi. Gen Weihnachten wird Frühe Kraniche von Bolot Schamschlijew gezeigt, eine Geschichte im karstigen Kirgisien, wo die Jungen 1943 die Saat für die kämpfenden Brüder und Väter vorbereiten. Banditen wollen ihnen ans Leder, aber die Liebe trotzt ihnen. Schöne Weihnachten! Mariam Niroumand

Zur Zeit starten keine Filme überregional. Sonst hätten Sie auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe darüber lesen können. Nächstes Jahr wieder.

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