■ Tennis
: Lendls stiller Abgang

Berlin (taz) – Wer heute über die Tristesse des Tennissports im allgemeinen und die langweilige Aura des Weltranglisten-Ersten Pete Sampras im besonderen mault, hat vermutlich jene Zeit von 1983 bis 1990 vergessen, in der ein gewisser Ivan Lendl nahezu unumschränkt über die Branche herrschte. 270 Wochen, so lange wie kein anderer, stand der damalige Tschechoslowake und heutige US-Bürger an der Spitze, zwischen 1985 und 1988 gar 157 Wochen in Folge. 94 Turniere beendete der Tennis-Handwerker, der gern selbst zugibt, daß er nicht sonderlich talentiert sei, als Sieger, von 1979 bis 1993 war er stets unter den Top ten zu finden und kassierte 20 Millionen Dollar Preisgeld.

Mit seinem schlichten, kraftstrotzenden Grundlinientennis brachte Lendl Gegner und Zuschauer gleichermaßen zur Verzweiflung, so unspektakulär wie er spielte, trat er jetzt auch vom Leistungssport zurück. Während Jimmy Connors und John McEnroe ihr Abschiedsjahr in einen Triumphzug verwandelten, schleppte sich Lendl 1994 verletzungsgeplagt über die Tenniscourts, war meist schon ausgeschieden, bevor die Leute zum erstenmal ihr Fernsehgerät einschalteten, und rutschte in der Weltrangliste auf Platz 54 ab. Als ihm die Ärzte jetzt erklärten, daß mit einer Besserung seiner Rückenprobleme nicht zu rechnen sei, mußte er einsehen, daß er Wimbledon wohl doch nicht mehr gewinnen wird und zog den Schlußstrich unter seine Karriere.

Einmal gewann Lendl die Australian Open, je dreimal die US Open und die French Open. In Paris absolvierte er auch sein größtes und sein berühmtestes Match. 1984 holte er sich in einem dramatischen Fünfsatz-Finale gegen John McEnroe seinen ersten Titel bei einem Grand-Slam-Turnier, 1989 wurde er an gleicher Stelle im Achtelfinale von der Vorhand Gottes der Lächerlichkeit preisgegeben. Der damals 17jährige Michael Chang wurde im fünften Satz von heftigen Krämpfen heimgesucht und zu einer äußerst kuriosen Taktik gezwungen, die Lendls mangelnde spielerische Flexibilität schonungslos zutage treten ließ.

Daß er eine solche Schmach nun mit Sicherheit nicht mehr erleben muß, dürfte dem 34jährigen Lendl den unfreiwilligen Abschied ein wenig versüßen.Matti