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■ Zum Bekennerschreiben der „Lesbenfrauengruppen“Über den Umgang mit Brandsätzen

Wenn man einem vor sich hinmodernden Unternehmen wie der Jungen Freiheit einen wirklichen Gefallen tun wollte, dann brauchte man nur genau zu dem Mittel der Auseinandersetzung greifen, dessen sich die „Revolutionären Lesbenfrauengruppen und andere revolutionäre Gruppen“ bedient haben: eines Brandanschlags auf den Betrieb, der das Blatt druckte. Und wenn man sich bei der Berichterstattung über diesen Anschlag unbedingt in eine Schieflage bringen wollte, dann mußte man genau so vorgehen wie unsere Zeitung: die Solidaritätsadresse von Dany Cohn-Bendit und anderen für die Junge Freiheit nach dem Brandanschlag nur referieren, das Bekennerschreiben aber dokumentieren (21.12.).

Die taz wird sich nie das Recht bestreiten lassen, Dokumente des „militanten“ Untergrunds zu veröffentlichen. Aber bei der Darstellung des Sachverhalts wie bei der Präsentation des Dokuments hätte es gegolten, jene Distanz zu wahren, die gegenüber Auslassungen wie denen der „Revolutionären Frauenlesbengruppen“ geboten ist.

Das Bekennerschreiben selbst ist arm an Gedanken, bombastisch im Ton und undemokratisch bis ins Mark. Die AutorInnen unternehmen keinerlei Versuch, ihre Aktion zu verteidigen. Wo sie sich rechtfertigen, wollen sie nur ihr Plätzchen unter den „antifaschistischen Kämpfern“ sichern: „Selbstverständlich soll das nicht besagen, daß wir andere bestehende Machtstrukturen und ihre UnterstützerInnen für weniger anschlagsrelevant halten oder gar den Normalzustand, die Scheindemokratie, verteidigen wollen.“

Wer Faschist ist, bestimmen selbstverständlich unsere antifaschistischen Avantgardeunternehmungen. Ebenso, wer der Versammlungs- und Meinungsfreiheit verlustig geht, wer bedroht, angepöbelt und körperlich attackiert werden darf. Natürlich ist der Kampf gegen den Neofaschismus nicht nur Sache der Polizei, natürlich ist die argumentative Auseinandersetzung mit ihm zwar unerläßlich, aber nicht immer ausreichend. Daß aber Widerstandsaktionen z.B. gegen einen neofaschistischen Aufmarsch eine offene Beratung und ein demokratischer Konsens über die Vorgehensweise vorausgehen muß, ist für die „revolutionäre Frauenlesbengruppe“ bereits demokratischer Schnickschnack. Angesichts dieser Sachlage kann Cohn-Bendit nur zugestimmt werden, wenn er und die anderen Unterzeichner des Appells schreiben: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt selbstverständlich für Zeitungen und Autoren des gesamten politischen Spektrums. Die Junge Freiheit muß ungehindert erscheinen können, ungeachtet der Tatsache, daß vielen die politischen Positionen der Zeitung mehr als bedenklich erscheinen.“ Christian Semler

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