Altnazi auf der Flucht

■ Bewohner des dänischen Kollund vertrieben Thies Christophersen

Hamburg (taz) – Die Bewohner der dänischen Ortschaft Kollund haben mit ihren dauerhaften Protesten den deutschen Altnazi Thies Christophersen vertrieben. Am Dienstag abend ließ der 76jährige vor seinem Haus sein Hab und Gut verladen und verschwand selbst – nach Informationen aus Kollund – auf die dänische Ostsee-Insel Fünen. Dort soll er ein Sommerhaus besitzen. Vor dem roten, mit Stacheldraht und Holzbarrikaden abgeriegelten Backsteinhaus Christophersens fuhren am Dienstag nach Einbruch der Dunkelheit zwei Umzugswagen vor, dann wurden zahlreiche Möbel und Aktenordner in die Fahrzeuge verladen. Als sie abfuhren, wurden sie zunächst von Kollunder Bürgern verfolgt. Nach 30 Kilometern Wegstrecke stellte sich jedoch eines der Fahrzeuge quer, so daß die Verfolger aufgeben mußten. Dem Bundesgrenzschutz liegen „keinerlei Erkenntnisse“ darüber vor, daß der per Haftbefehl in Deutschland gesuchte Christophersen nach seiner Abreise versucht hat, Dänemark in Richtung BRD zu verlassen. Flensburgs BGS-Chef Jürgen Höhnle: „Wir sind über die Vorgänge in Kollund informiert und kontrollieren alle Grenzen genau.“ Seit 1986 lebte Cristophersen in der 400-Seelen-Gemeinde Kollund. Der mehrfach vorbestrafte Altnazi, der den Holocaust bis heute leugnet, wurde zuletzt 1984 wegen Volksverhetzung in Flensburg zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, der er sich sich durch Flucht nach Dänemark entzog. Von Kollund aus vertrieb der Ex-SS-Mann, der im KZ Auschwitz eingesetzt worden war, NS-Propaganda in hoher Auflage. Dem NDR liegen Informationen vor, nach denen Christophersen allein in Hamburg etwa 50 Unterstützer hat, die den Vertrieb seiner Schriften finanziell unterstützen. Seit Monaten hatten die Kollunder allabendlich mit Fackelzügen vor Christophersens Haus gegen ihn protestiert, am Wochenende fanden oft Großkundgebungen vor seinem Wohnsitz statt. Das wurde der Schlüsselfigur der deutschen Nazi-Szene offenbar zuviel. Marco Carini