Silvio Berlusconi ist am Ende

■ Der italienische Ministerpräsident steht vor dem Rücktritt / Neue Regierung höchst unsicher

Rom (taz) – Mit zweistündiger Verspätung, einer halbstündigen Erklärung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi und anschließenden Mißtrauensanträgen gegen das Kabinett begann gestern die Debatte über das Schicksal der italienischen Regierung. Parlamentspräsidentin Irene Pivetti hatte Fernsehaufnahmen untersagt, weil sich zunächst keine TV-Anstalt zur lückenlosen Übertragung der für 20 Stunden geplanten Debatte bereit erklärt hatte. Zu Beginn der Sitzung kam es deshalb zu schweren Ausfällen gegen Frau Pivetti, die darauf einen Abgeordneten ausschloß. Schließlich durfte das Fernsehen wieder in den Saal.

In seiner Erklärung verlangte Berlusconi erneut sofortige Neuwahlen. Die BürgerInnen hätten ihm im Frühjahr das Mandat gegeben, die damals mit ihm verbündete Liga Nord habe ihn nun schlichtweg verraten, argumentierte er. Obwohl inzwischen auch die bisher treuen Partner – die Neofaschisten und die kleine Zentrumspartei – die Koalition als nicht mehr tragfähig ansehen, wird sich eine neue Regierungsbildung schwierig gestalten. Die Linke und die oppositionellen Christdemokraten bringen nicht die erforderliche Mehrheit auf, die Liga Nord ist gespalten. Neuwahlen werden voraussichtlich an Staatspräsident Scalfaro scheitern. Dieser wird im Zweifelsfalle ein Notstandskabinett einsetzen, das die dringendsten Gesetzesvorhaben durchziehen soll – darunter neben einem neuen Wahlgesetz ein Antitrust- und ein Mediengesetz, das Berlusconis wirtschaftliche Macht auch für den Fall eines Comebacks stark reduzieren soll. Werner Raith Tagesthema Seite 3