Ein Meta-Museum mit Bibliotheken, Mahnmal und Sternhalde

■ Bei Kunst im öffentlichen Raum ist Hamburg trotz geringer Mittel vorne dran / Fünf Einzeldokumentationen sind heuer erschienen

Seit Hamburg 1981 damit aufhörte, Wohnanlagen mit häßlichen kleinen Bronzebrunnen auszustatten und statt dessen die Gelder von „Kunst am Bau“ für zentrale Konzepte moderner Kunst bündelte, sollten jährlich 0,15 Prozent der öffentlichen Bausumme, mindestens jedoch 1 Million Mark zur Verfügung stehen. In fünfzehn Jahren ist dieser Betrag gleichgeblieben und trotz stetig steigender Kosten sind mit diesem Geld einige bemerkenswerte Großprojekte realisiert worden. Keine andere Stadt in Deutschland hat sein Programm für „Kunst im öffentlichen Raum“ derartig konsequent ausgebaut.

Das in sieben Jahren bis 1993 langsam versenkte „Mahnmal gegen den Faschismus“ von Esther und Jochen Gerz, in Harburg eher ungeliebt, wird in weltweiter Rezeption als eines der wichtigsten Beiträge überhaupt zum Thema des Erinnerungsmales geschätzt. Und die Tunnelinstallation „Hauptbahnhof Nord“ von Huber & Kummer ist das zumindest von den Dimensionen her größte moderne Kunstwerk Europas.

„Kunst im öffentlichen Raum“ hat sich unter den zuständigen Referenten, erst dem jetzigen hessischen Kulturdirektor Karl Weber (der sich inzwischen um die Präsidentschaft der HfbK beworben haben soll) und danach Achim Könneke, zu einer Art Meta-Museum mit eigenem Charakter entwickelt. Das ist nicht ganz unwichtig, denn „die Definition des Auftrages macht 50 Prozent der Qualität eines Kunstwerks aus“, wie Jochen Gerz anmerkt.

Damit die Kunstinterventionen in Hamburgs Stadtbild nicht als alltäglich übersehen werden, publiziert die Kulturbehörde begleitende Folder. Für intensivere Beschäftigung mit den Kunstwerken gibt sie neuerdings Bücher über die Projekte heraus. Fünf Publikationen sind dieses Jahr erschienen.

Dem U-Bahntunnel angemessen präsentiert sich der Band über Haupbahnhof-Nord in langem, dunklem Querformat. Die Autoren Uwe M. Schneede, Achim Könneke und Ludger Derenthal setzen sich mit der Arbeit auseinander und legen besonderes Gewicht auf die Veränderung der Installation vom „eingefrorenen Sturz“ in der Kuppel der Kunsthalle zur Endlagerung der 130 gestürzten Sterne im Untergrund.

Zugleich Studie einer soziologischen Forschungsgruppe der Universität Lüneburg und die derzeit ausführlichste Information über den komplexen Kunstansatz von Clegg & Guttmann ist das Buch über die 1993 in drei HEW-Schaltkästen aufgestellte Offene Bibliothek. Aus den entkernten Schaltkästen konnte jeder Bücher entnehmen oder hineinlegen. Damit gewannen die Künstler gemeinsam mit den Wissenschaftlern ein „soziales Porträt“ von Bibliotheken.

In einem schmalen, aber gewichtigen Heft wird das interkulturelle Projekt Muttersprache dokumentiert. Der Hamburger Künstler Hinrich Sachs ließ Ausländer ihre Länder betreffende Vitrinen des Völkerkundemuseums kommentieren und vertauschte in Großplakaten die Aussagen eines hier im Asyl lebenden persischen Arztes und eines Winterhuder Gemüsehändlers.

Aufwendig, vieleicht zu aufwendig hat Maria Nordmann ihr Buch über ihre architektonischen Interventionen wie den Metall-Glas-Pavillon, der 1992 bei Planten und Blomen stand, gestaltet. Im Impressum ausdrücklich als „Skulptur“ deklariert, feiert es unter Beigabe transparenter Farbseiten die städtischen Visionen der Architektur-Künstlerin.

Der internationalen Rezeption gemäß schreiben über das Harburger Mahnmal gegen Faschismus unter anderen Marcia Tucker, die Direktorin des New Museum of Contemporary Art in New York, der französische Philosoph Jean-Pierre Salgas und James E. Young, Professor für Judaistik in Massachusetts, um die Wirkung des verschwundenen Monuments wachzuhalten, getreu dem Motto der Gerzens: „Denn nichts kann auf Dauer an unserer Stelle sich gegen das Unrecht erheben.“ Hajo Schiff Jochen Gerz & Esther Shalev-Gerz: „Das Harburger Mahnmal gegen Faschismus“, 125 S., Hatje Verlag Stephan Huber, Raimund Kum- mer: „Hauptbahnhof-Nord“, 95 S., Cantz Verlag Clegg & Guttmann, „Die offene Bibliothek“, 128 S., Cantz Verlag Alle drei Bücher im Buchhandel erhältlich, Preis je 38 Mark Hinrich Sachs: Muttersprache, 26 S., 15 Mark, bei Sauter und Lackmann und im Völkerkundemuseum Maria Nordmann: „De Musica – New Conjunct City Proposals“, 68 Mark, in der Kunsthalle Alle Bücher sind auch direkt über die Kulturbehörde erhältlich (Hamburger Straße 45, 22083 HH)