■ Nachgefragt
: „Eine Koalition mit den Grünen kann ich mir nicht vorstellen“

Bremens CDU-Chef Bernd Neumann hat Anfang Dezember erklärt, für ihn komme nach der Bürgerschaftswahl im September 1995 auch eine Koalition mit den Grünen in Frage. CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle war diese Äußerung überhaupt nicht recht.

taz: Wer entscheidet in der CDU über so wichtige Fragen wie die Koalitionsaussage – der Landesvorsitzende Bernd Neumann oder der Spitzenkandidat Ulrich Nölle?

Ulrich Nölle: Darüber entscheidet keiner im einzelnen, das entscheidet die Partei. Und die Partei hat sich, so wie ich es ihr auch geraten habe, dafür ausgesprochen, keine Koalitionsaussage vor der Wahl zu treffen. Kleine Parteien müssen das, aber eine große Partei ist gut beraten, wenn sie das nicht tut.

Wenn Herr Neumann das trotzdem tut, macht er einen Fehler?

Neumann hat das nicht gemacht, er ist etwas überinterpretiert worden und in der Öffentlichkeit ist etwas falsch angekommen.

Aber Herr Neumann hat gesagt, nach der Wahl würde er mit allen demokratischen Parteien Verhandlungen aufnehmen, außer mit der SPD. Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen: Erstens ist Neumann kein Anhänger einer Großen Koalition und zweitens kämen auch die Grünen für ihn als Koalitionspartner in Frage. Das sehen Sie offenbar anders.

Hier unterstellen Sie Bernd Neumann erneut Falsches. Wir sind uns einig, daß wir uns vor der Wahl nicht festlegen, und deshalb bin ich nicht bereit, eine Äußerung in diese Richtung zu machen.

Aber ginge es denn mit den Grünen oder hätte es gar keinen Sinn, mit ihnen zu reden?

Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht vorstellen und deshalb mache ich mir da heute auch keine Sorgen drum.

Woran soll der Wähler sich nun orientieren? Der Landesvorsitzende sagt ja und der Spitzenkandidat sagt nein.

In dem von Bernd Neumann direkt Gesagten sehe ich keinen großen Unterschied. Der Unterschied ist durch die Überschrift der Presse gekommen und durch das, was man hineingelegt hat. Es bleibt dabei: Wir machen keine Koalitionsaussage.

Aber daran, daß Sie alleine die Mehrheit in der Bürgerschaft gewinnen werden, glauben Sie doch sicher auch nicht?

Das wäre ein erdrutschartiger Sieg, an den ich nicht denken kann. Ich denke aber daran, daß wir die stärkste Partei werden und nach der Wahl erstmal sehen, wer sich überhaupt in der Bürgerschaft befindet, und dann darüber nachdenken, mit wem man eine Koalition eingeht.

Stärkste Partei würde bedeuten: zehn Prozentpunkte mehr als bei der letzten Bürgerschaftswahl. Gibt es innerhalb der CDU noch eine Frage, in der richtig darum gestritten wird, mit welchem Programm das am besten zu erreichen wäre?

Nein, wir haben die Wahlprogrammkommission unter Vorsitz von Günter Niederbremer ja gestern erst eingesetzt.

Aber die Diskussionen finden doch in der Regel vorher statt. Gab es da keine strittigen Fragen?

Nein.

Warum nicht? Das wäre doch normal in einer lebendigen Partei.

Ich habe in den letzten zwei Jahren schwerpunktmäßig die Punkte nach vorne gebracht, die ich im Wahlkampf für richtig halte: Reform der öffentlichen Verwaltung, Privatisierung, Innenstadtsanierung, Infrastruktur und Gewerbegebiete. Das sind für uns die wichtigsten Fragen. Und über diese Priorität gibt es in der Partei keine Diskussion.

Die Sozialpolitiker haben nichts mehr zu sagen?

Eine gute Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik. Das begreifen nur viele nicht.

Fragen: Dirk Asendorpf