Durchs Dröhnland: Baggersee revisited
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Wer einmal The Ex gesehen hat, dürfte vermutlich keinen besonders vielversprechenden Eindruck von der Amsterdamer Szene um diese Hausbesetzerband bekommen haben. Deren Hardcore ist jenseits der politischen Korrektheit ein wildwütendes Gebolze ohne jede Eleganz oder gar Innovation. Um so überraschender dann Perverted By Desire, ein 1985 gegründetes Trio, das in den Anfangstagen von dem Exler Dolf protegiert wurde. Dabei begannen sie sogar als Elektro-Band, um erst im Lauf der Zeit die Gitarren für sich zu entdecken. Diese Entwicklung sorgt für eine komische Diskrepanz: Zwar fummeln sie wie Elektronikbastler ihre Songs zusammen, manchmal mit mehr Ideen in drei Minuten, als andere für ganze Platten brauchen. Aber umgesetzt wird das Ganze in einem recht metallischen Sound, der zwar nicht gänzlich auf künstlich generierte Klänge verzichtet, aber beherrscht wird von Hardcore-, Rock- und Punkelementen. Hin und wieder führt das intellektuelle Verwirrspielchen zwar zu Langeweile, aber unterm Strich bleibt einer der interessantesten Versuche, zeitgemäßen Postpunk zu machen. Daß diese weltfremden Bastler, die es sich auch nicht nehmen lassen, verschiedene Sprachen zu benutzen (nicht nur Niederländisch, Englisch, Deutsch und Französisch, sondern auch Finnisch), nicht völlig über die Stränge schlagen, dafür dürfte vor allem der Produzent ihrer letzten Platte gesorgt haben: Kramer, sonst bei Bongwater oder den Butthole Surfers eher bekannt für fies rumpelnde Sounds, hat Perverted By Desire ein oberflächlich sehr sauberes Korsett verpaßt, das aber allein durch die gnadenlose Abwechslung ausreichend Risse bekommt. Und außerdem haben die drei Holländer zudem ein Stück über Sinead O'Connor geschrieben, das wahrscheinlich nicht nur ihnen aus dem Herzen spricht: „I can't say I like your music but hey / You're of a kind this planet craves for these days“.
Heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Jetzt tanzen wir mal aus der Reihe und küren eine Band zum Konzert der Woche, die, sogar nach Eigenaussage, ziemlich mies ist. Und das einfach nur, weil der Trommler mit dem Schreiber dieser Zeilen hin und wieder zusammen Fußball spielt und sich gefreut hat über den Satz, daß Bert (jener aus der Sesamstraße) der Welt verkanntester und trotzdem ausdauerndster Dulder ist, daß man Ernie, den alle Kinder lieben, zum Mond schießen müßte, und daß aus dieser Motivation allein die Band Bert'z Rache entstanden ist, die zudem noch recht überflüssigen Punkrock ein allerletztes Mal zelebriert.
Heute, 22 Uhr, Bergwerk, Bergstraße 68, Mitte
Wir Franken sind, so geht das Vorurteil, sehr gemütliche Menschen – manche sagen auch Lahmärsche und haben auch ein bißchen recht damit. Wenn für dieses Vorurteil noch ein Beweis anzutreten gewesen wäre, die Shiny Gnomes hätten ihn längst erbracht. In den 80er Jahren starteten sie vielversprechend eine internationale Popkarriere, auch wenn sie stationiert waren auf armseligen Dörfern um Nürnberg herum. Die Musik dafür wurschtelten sie schnell und überaus harmonisch zusammen aus Eagles, Hollies, Beatles, Iron Butterfly, Doors, Kaleidoscope, 13th Floor Elevators, Pink Floyd, auch ein wenig Free, Led Zeppelin und Deep Purple, kurz: alles, was halbwegs erträglich war aus den 70ern. Nicht, daß sie Grunge gespielt hätten, dazu schlug ihr Herz zu sehr für die schöne Melodie und den leicht dahingespielten Ton, aber irgendwie doch wurde im Frankenlande vor der Zeit Seattle erfunden. Und dann kam das Problem mit der Gemütlichkeit: Trotz allerschönster Platten, einem Vertrag bei der Industrie, aufwendigster Covergestaltung und sonst auch viel Geld war den Shiny Gnomes immer ihre Unentschlossenheit im Wege, ihre Dörfer, aus denen sie nicht so recht rauswollten, auch wenn sie das nie zugegeben hätten. Und irgendwie macht es sich halt auch nicht sonderlich weltmännisch, wenn man die aktuelle Single auf der Bühne mit folgenden Worten ankündigt: „Etz kummt unsa Schmäsch- Hid!“ Also versank man – nicht ohne vorher den Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg abgezockt zu haben – wieder in die angenehme Ereignislosigkeit der Provinz, scherte sich fortan einen Dreck um die Popkarriere und produzierte eine Perle nach der nächsten. Früher beschwörten sie einmal eine Zeit Ende der 70er herauf, als auf dem flachen Lande noch niemand an Punk dachte, aber erst recht keiner von der dicken, zähflüssigen Bombastmatsche jener Tage noch was wissen wollte, eine Zeit, in der man noch an den guten Rocksong glaubte, wo man auf Feten mit Haaren knapp über den Ohren und Hemden über der Hose tanzte und am nächsten Morgen in den Baggersee sprang. Inzwischen sind sie, eingesperrt in ihrem selbstgewählten Ghetto, genau bei diesem Bombast angekommen: Ihre Songs schleppen sich ereignislos dahin, beschwören eine obskure gummiartige Psychedelik, als würden sie noch an das positive Drogenerlebnis glauben. Schlimm genug, daß die Gnomes immer noch fast das Beste sind, was diese Region zu bieten hat, denn trotz allem – und zurückgezogen in alle bequemen Ausflüchte – machen diese drei nun ja auch nicht mehr ganz jungen Herren eine sehr eigenständige, niemandem und nichts verpflichtete Popmusik. Aus der Land-WG direkt in die Herzen.
Am 27.12., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Seit 1985 gibt es Rumble Militia, seitdem bauen sie an den jeweils gültigen Versionen von Hardcore herum. Allein durch die griechische und türkische Herkunft der Bandmitglieder waren Rumble Militia von Anbeginn an politisches Statement, lange bevor p.c. in die Schlagzeilen und in die kritische Diskussion geriet. Musikalisch tat sich einiges in dieser Zeit: Begonnen am Ausgangspunkt puristischer Hardcore ist man über nun mittlerweile sieben Platten langsam, aber sicher bei den modernen Spielarten des Metal angelangt. Zur endgültigen Abrundung der Entwicklung begab man sich passenderweise in die Morrisound Studios in Tampa, Florida, jenem geheiligten Ort der metallischen Kreuzritter, wo jahrelang alles abgemischt wurde, was Rang und Namen hatte in Death, Trash und Doom. Das Ergebnis ist natürlich nicht revolutionär, aber solide, professionell und kaum ein bißchen hausbacken.
Am 29.12., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln Thomas Winkler
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