■ Tierquälerei für die LiebhaberInnen der feinen Küche
: Bis der Kropf platzt

Paris (taz) – Ein Glas goldfarbenen Sauternes, ein paar Scheiben getoastetes Graubrot und dazu eine heiße Gänseleberpastete – so stellen sich viele Franzosen den Einstieg in das große Festessen morgen abend vor. Zumindest die, die es sich leisten können. Denn die Lebern der Gänse und Enten haben den hohen Preis echter Handarbeit.

Die Details ihrer Arbeit verbergen die 20.000 Professionellen der Enten- und Gänsezucht, die vorwiegend in Frankreichs Südwesten, aber auch in der Normandie betrieben wird, gern hinter dicht verschlossenen Stalltüren. Die LiebhaberInnen der feinen Küche sind ihnen dafür dankbar, das Stopfen von jährlich 15 Millionen Enten und 800.000 Gänsen ist nicht besonders appetitanregend.

Nur der Anfang im Leben einer späteren Stopfgans und -ente ist ziemlich unauffällig. Die jungen Vögel dürfen zwei Monate lang herumlaufen und soviel fressen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Danach greift ihr Züchter reglementierend in die Diät ein: Zwei Wochen lang bekommen sie nur noch einmal täglich Nahrung. Die Leber einer Gans wiegt zu diesem Zeitpunkt rund 100 Gramm und ist rotbraun. Es folgen zehn Tage, in denen die Tiere auf das Stopfen vorbereitet werden. Täglich müssen sie jetzt 700 Gramm Nahrung (Enten: 400 Gramm) aufnehmen, damit sich ihre Speiseröhren weiten. Die Leber einer Gans wiegt zu diesem Zeitpunkt 300 Gramm und ist braun. Das eigentliche Stopfen beginnt anschließend und dauert 18 bis 24 Tage: Eine Mischung aus gekochtem und gesalzenem Mais, angereichert mit Fetten, Vitaminen und Milchfermenten (zum Erhalt der Darmflora) wird durch einen langstieligen Trichter in die geweitete Speiseröhre gestoßen. Gänsen werden täglich 900 Gramm dieser Pampe eingetrichtert. Die Leber einer Gans wiegt am Ende 700 bis 900 Gramm und ist hellbeige. Sie hat ihr Idealgewicht erreicht.

Vorausgesetzt, das Tier lebt noch. Denn viele Enten und Gänse krepieren während der Zwangsernährung, die ihre Leber auf das Fünf- bis Zehnfache der Norm anschwellen läßt. Ihnen platzt der Kropf, sie sterben an Infektionen, an Herzstillstand, an Leberzirrhose oder ersticken an dem 20 bis 40 Zentimeter langen Trichter. Die Überlebenden können sich nicht mehr bewegen, schwitzen, röcheln und sind zum Schlachttermin todkrank, beschreibt Andrée Valadier von der „Nationalen Gesellschaft zur Verteidigung der Tiere“.

Die Zeiten der Gänseliesel, die das freilaufende Tier zum Stopfen unter ein Knie klemmte, den Hals mit einer Hand festhielt und mit der anderen den Schnabel füllte, sind längst vorbei. Die ländliche Idylle findet sich nur noch in naiven Illustrationen auf Konservenbüchsen und in den Auslagen von Pariser Delikatessenläden. Heute sind die Tiere in Käfige gesperrt und ihre Hälse in Eisen geklemmt, damit sie sich nicht entziehen können. Ihre Enzyme in Magen und Dünndarm verwandeln die eingetrichterte Maisstärke in Zucker, der über das Blut in die Leber transportiert wird, die einen großen Teil ablagert und anschwillt.

9.540 Tonnen Gänse- und Entenleber sind in Frankreich im vergangenen Jahr konsumiert worden. Das meiste stammte aus einheimischer Produktion, der Rest kam aus Ungarn, Polen, Bulgarien und Israel. Die Delikatesse steht so hoch im Kurs, daß sie sogar Gangster inspiriert. Anfang Dezember überfielen maskierte und schwerbewaffnete Männer einen Transport aus Ungarn auf dem Pariser Großmarkt in Rungis. Nachdem sie die Fahrer im Kühlhaus eingesperrt und zwei Marktarbeiter gefesselt und geknebelt hatten, verschwanden sie mit 13 Tonnen Gänseleber. Dorothea Hahn