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Neonazi-Organisationen vom Staat unterstützt

■ Mehrere Finanzämter erkannten rechtsradikalen Vereinen die Gemeinnützigkeit zu /Verfassungsschutz will zuständige Behörden seit langem unterrichtet haben

Hannover (taz) – Etliche bundesdeutsche Finanzämter sehen neonazistische und rechtsradikale Vereine als „gemeinnützig“ an. Ein Bericht des Fernsehmaginzs Panaroma nannte jetzt acht Vereine mit neonazistischem oder rechtsradikalem Hintergrund, die durch diesen Status erhebliche Steuervorteile verbuchen können. Von diversen Steuern befreit und berechtigt, abzugsfähige Spendenquittungen auszustellen, sei auch der „Verein Heideheim e. V.“, der im niedersächsischen Celle ein Neonazi-Zentrum unterhält.

Als weitere Beispiele für „gemeinnützige“ rechtsradikale Organisationen werden von Panorama die „Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur“, ein bayrischer Verein „Kultur und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit“ und das „Collegium Humanum“ in Husum genannt.

Mit Blick auf das Neonazi-Zentrum in Hetendorf sagte ein Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes gestern zur taz, man habe schon seit Jahren auf die Steuerbefreiung rechtsradikaler Vereine hingewiesen. Zumindest einer der beiden Trägervereine des Nazi-Zentrums in der Heide, das durch alljährliche Treffen der inzwischen verbotenen „Wiking-Jugend“ bekannt wurde, sei allerdings nicht in Niedersachsen, sondern in Hamburg beim dortigen Finanzamt Tostedt registriert. Auch hätten Kommunalpolitiker aus dem Raum Celle in der Vergangenheit Anstoß daran genommen, daß das Neonazi-Zentrum durch Steuervorteile indirekt vom Staat gefördert werde.

Der Sprecher des Verfassungsschutzes betonte, seine Behörde könne keinesfalls als eine Art Finanzpolizei tätig werden. Man habe das Innenministerium in Hannover entsprechend informiert und sei dort an das dafür zuständige Finanzministerium verwiesen worden. Was der niedersächsische Verfassungsschutz schon vor Jahren in die Wege geleitet haben will, ist allerdings offenbar erst vor wenigen Tagen im niedersächsischen Finanzministerium eingetroffen. Dort hieß es gestern, daß man vor kurzen ein Schreiben des Innenministeriums erhalten habe, aufgrund dessen man jetzt einen rechtsradikalen Verein, dessen Name aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht genannt werden dürfe, angelegentlich der Gemeinnützigkeit überprüfe. Das niedersächsische Finanzministerium verwahrt sich gegen den Vorwurf, die nachgeordneten Behörden seien untätig geblieben. Zumindest einer im niedersächsischen Rotenburg ansässigen rechten Organisation sei die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Diese Entscheidung sei allerdings nocht nicht rechtskräftig. Jürgen Voges

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