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Hinter den Flokati-Wall

■ Die Deichtorhallen zeigen eine Albert-Oehlen-Retrospektive

Man soll ja nicht nostalgisch werden, aber früher war Albert Oehlens Malerei laut und böse, heute ist sie arriviert und zahm. Früher war sie scharf durch offene Feindschaften, heute ist sie kuschelweiches Mainstream-Gekleckse. Statt zynischer Kommentare zum Mythos des Malers zelebriert der Maler sich jetzt selbst als Mythos. Und vor allem zitiert er geschmäcklerisch, oder soll man sagen: klaut?

Dies ist keine Kunstkritik, dies ist einfach eine Enttäuschung. Denn Oehlen gehörte mit Martin Kippenberger und Werner Büttner zu einer kleinen Gruppe innerhalb des fremddefinierten Spektrums der „Neuen Wilden“, die die Kritik an der Heuchelei im Kunstbetrieb wie in der Gesellschaft – in der Nachbarschaft von Punk und Undergroundliteratur – so weit trieben, daß sie auch außerhalb der selbstbezogenen Cliquen der Kunst bemerkt werden mußte. Gemalte Entkleidungen linker wie rechter Fetische, Stiche durch den Flokati-Panzer der Kunstkritik und selbstbewußte Veräppelungen von Kollegen mit klugen Bösartigkeiten bestimmten das Bild der Gruppe, die in der 84er Ausstellung Wahrheit ist Arbeit in Essen kulminierte.

Bilder wie „Selbstbildnis mit verschissener Unterhose und blauer Mauritius“ (1984), „Morgenlicht fällt ins Führerhauptquartier“ (1982) oder „Schachtelhalme“ (1981) sind ironisch verschlüsselte Gifthäppchen gegen jede Form von geistiger Selbstgenügsamkeit. Doch seit einigen Jahren wirkt die Malerei Oehlens erzogen und endet jetzt in ungegenständlicher Malerei, die von einem braven Meisterschüler Sigmar Polkes (Oehlens Hochschullehrer in Hamburg) stammen könnte.

Dazu wird ein wenig de Koonig, später Richter und Gesten von Kirkeby eingeflochten, Arp-, Klee- und Kandinsky-Förmchen unterlegt und fertig ist der jetzt seriöse Maler. Der Abgrund an Beliebigkeit aber sind groß aufgerissene Pixel-Bilder mit dezenten Übermalungen, wie sie nach der Domestizierung des Computers durch den Haushalt überall in der Welt auftauchten.

Oehlen-Freund Diedrich Diederichsen konstruiert in seinem Katalog-Beitrag eine „Medientheorie der Malerei“ an seinem Beispiel, die offensichtlich einiges in Oehlens Arbeit hineingeheimnist, um zu einem Resultat zu kommen. Bezeichnend an dieser komplizierten Interpretation in feinsinnigen Wortverschlingungen ist aber eigentlich mehr, daß sie Oehlens Ankunft im Selbstbespiegelungsreich der Kunst belegt. Ciao, St. Oehlen, schön war die Zeit...

Till Briegleb

Südliche Deichtorhalle, noch bis 15. Januar

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