Dubiose Deals und heimliche Helfer

■ Bei illegalen Müllschiebereien halfen Hamburger Firmen kräftig mit Von Marco Carini

Wer ist Opfer, wer ist Täter? Wie gestern berichtet, wurden Gewerbeabfälle von einem in Hamburg und Holthusen bei Schwerin ansässigen Firmenkonsortium illegal entsorgt. Die von den Müllschiebereien betroffenen Hamburger Unternehmen sehen sich dabei nur als Leidtragende krimineller Machenschaften. Aber: Hamburgs Betriebe haben bei den Abfalldeals tatkräftig mitgeholfen, Gutachter frisierten Chemieanalysen, die Umweltbehörde kontrollierte nicht. Die taz nennt die Hamburger Helfer der dubiosen Deals:

Tatort Industrie: Ob Shell oder Blohm + Voss, Nordag oder Hamburger Wasserwerke - die Unternehmen, deren Abfälle illegal ent–sorgt wurden, machten es den Müllschiebern leicht. Gegen die für Entsorgungsfragen verantwortlichen Mitarbeiter aller vier Firmen ermitteln Hamburgs Staatsanwälte, gegen einen Abteilungsleiter der Shell wurde Anklage erhoben. Der Vorwurf: umweltgefährdende Abfallbeseitigung.

Beispiel Nordag: Mitarbeiter der Firma besichtigten die Kompostanlagen, in denen der von ihnen angelieferte Kehricht untergebracht werden sollte. Die vorgeschriebene (aber gar nicht vorhandene) Deponiegenehmigung verlangten sie aber nicht, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Die zuständigen Mitarbeiter der Shell und der Wasserwerke sollen die erforderlichen Entsorgungsnachweise für ihren Firmenmüll entweder überhaupt nicht angefordert oder nie überprüft haben. Stets handelten die Müllproduzenten nach der Devise: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Tatort Wissenschaft: Der Trick der Müllschieber aus Holthusen und Hamburg: Giftige Abfälle ließen sie von Hamburger Umweltinstituten für ökologisch unbedenklich erklären, um sie dann zu Dumping-Preisen irgendwo abkippen zu können. Aus Sondermüll wurde mal „hausmüllähnlicher Gewerbeabfall“, mal „ungefährlicher Erd-aushub“, dann wieder harmlose „Park- und Gartenabfälle“.

Die dubiosen Gutachten fertigte in aller Regel das in Altona beheimatete „Umweltlabor Kaiser und Woltmann“. Für die Nordag-Abfälle stellte das „Institut für Analytische Dienste Nord“ den Freifahrtschein aus, das im gleichen Gebäude wie sein Auftraggeber beheimatet ist. In allen Fällen kamen spätere – im Behördenauftrag erstellte – Expertisen zu dem Schluß, daß die angeblich harmlosen Abfälle chemisch verseucht waren.

Tatort Umweltbehörde: „Die Hamburger Umweltbehörde hat diese Entsorgungsvorgänge nicht überprüft und ihre Amtspflichten als Überwachungsbehörde grob vernachlässigt“, klagt Edmund Haferbeck, Mitautor des im kommenden Frühjahr erscheinenden Buchs „Enttarnt – die letzten beißen die Müllmänner“ an. Der Grund: Personalmangel und fehlende Kommunikation in der Behörde.

So stellte sich nach einer von der Umweltbehörde in Auftrag gegebenen Analyse der in Lübz (Mecklenburg) abgelagerten Wasserwerks-Abfälle zwar heraus, daß hier gefährlicher Sondermüll lagerte, doch den dafür notwendigen Entsorgungsnachweis forderte die Behörde offenbar nie ein. Haferbeck: „In der Umweltbehörde weiß eine Abteilung nicht, was die andere tut.“ Behörden-Sprecher Kai Fabig lehnte eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gestern ab, da es sich „um ein schwebendes Verfahren handele“.