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Rattattatta oder Titelüdeli

■ Endlich: Telefonieren lernen mit Kommunikationstherapeutin / Ein Angebot Ihrer VHS IihVolkshochschule

Wenn demnächst einer bei Ihnen anruft und hechelt und schwer atmet, dann muß das kein fieser kaputter Telefonwichser sein. Es könnte sich um einen Teilnehmer des Volkshochschulkurses 01M324 handeln. Der Kurs heißt „Effektiv telefonieren“ und wird von der Kommunikationstrainerin Christa Burkhardt angeboten. Jener Hechler und Schweratmer versucht dann gerade, einen ihrer Telefontips zu beherzigen: Bevor man am Telefon anhebt zu sprechen, soll man ausatmen. Das beruhigt, baut Stress ab und läßt die Stimme voll und rund klingen. Keine Angst vor Luftknappheit: in der Lunge steckt noch immer genung für drei vier Sätze!

Wer denkt, Telefonieren sei das Einfachste von der Welt, spreche mit Christa Burkhardt. Sie ist eine der 700 deutschen Sprecherzieher und genoß eine Universitätsausbildung in Ravensburg. Sie befaßt sich mit Sprachstörungen (Stottern etc.), Sprechstörungen (wenn Kohl kein „ch“ zustande kriegt) und Stimmstörungen (Frau Schreinemakers überschnappendes Quiekstimmchen, „viel Luft, wenig Ton“). Die Bremer Kleinunternehmerin schult vorrangig und am liebsten mittelständische Betriebe in Kommunikation und Zeitmanagement „einmal komplett durch“, vom Chef bis zum Pförtner. Und „immer geht es um Telefonieren“. Das kostet zuviel Zeit, die Gegenüber sind zu geschwätzig oder gar aufgebracht, man kommt nicht an oder durch oder auf einen grünen Zweig. Telefonieren wird immer mehr, und kaum jemand kann's.

Das Hauptproblem: die Fremdbestimung. Erstens durch die Maschine selbst. „Es gibt Leute, die aus der Badewanne steigen, wenn's klingelt,“ schaudert es Frau Burkhardt. Also übt sie mit ihren Telefonschülern Nicht-Drangehen. Fühlen, was dann passiert mit einem. Und da wird dann aber gelitten! Zweite Fremdbestimmung: Wer angerufen wird, ist der Passive und bleibt es meist. Den Spieß umdrehen will gelernt sein. Und hat man dann einen redseligen Partner am anderen Ende, der einem die Hucke vollquatscht, setzt die hohe Schule ein. Dann heißt es: „geschlossene Fragen“ stellen, konkret werden, genau das, was der Laberkopf nicht will. Niemals „ja – ach – hmm – aha“ brummen, das wird grundsätzlich so verstanden, als wolle man mehr hören. Und auf gar keinen Fall „offene Fragen“ stellen, die assoziative Lavinen lostreten.

Gegen die Fremdbeherrschung durch die Maschine geht Christa Burkhard auch mit technischen Mitteln an. „In den Firmen gucken wir uns genau die Telefonanlagen an,“ sagt sie; kaum jemand kennt die Möglichkeiten moderner Anlagen, da stellt mancher überrascht fest, daß er sehen kann, wer anruft. Und seit die Telekom vielerorts statt des alten Impuls-Wahlverfahrens (rattattattatta) das Ton-Wahlverfahren (titelüdeli) ermöglicht, fehlt vielen Menschen die Rattattatta-Pause zur Vorbereitung auf ein heikles Gespräch. „Ich zeige den Leuten dann, daß am Telefon ein Hebel ist, mit dem sie bei schwierigen Gesprächen auf Impulswahl umstellen können.“

Die heiklen Gespräche: Da schleicht mancher bis zu einer Woche ums Telefon herum – sei es eine Beschwerde oder eine Terminabsage. „Warmtelefonieren,“ empfiehlt die Terapeutin, Listen aufstellen, in denen sich ein angenehmnes Gespräch mit einem unangenehmen abwechselt. Am liebsten ganze Blocks zusammenstellen, aber Obacht: Zwei Telefonate bedeuten in der Regel vier Anrufe mit allen Fehlläufern und Anrufpartnern in Konferenzen.

Christa Burkhardt schult alles und jeden, Deutsche Bank und die Kindergärtnerinnen nebenan. Nur Autoverkäufer und Versicherungsvertreter nicht: „Die ziehen schon genug über den Tisch.“ Für den VHS-Kurs 01M324 erwartet sie Leute, die Lösungen, Rezepte, Faustregeln, Tip haben wollen. Die sollen sie kriegen – „pack ich alles rein!“ BuS

VHS-Kurs läuft am 14./15.1.95, 9.30 bis 16 Uhr, BGZ Neue Vahr, 56 Mark (erm. 38.-).

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