■ Bonn apart
: Der böse Geist von Gera

Die Macht der Sprache ist ungeheuer – wenn man sie nur zu nutzen und richtig einzusetzen weiß. Wer als Politikerin oder Politiker ein zentrales Wortfeld besetzt oder einen schlagenden Begriff in Umlauf bringt, hat schon einige Prozent WählerInnenstimmen gutgemacht.

Auch der neue FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle hat sich gleich in der hohen Kunst der politischen Begriffsprägung bewähren müssen. Den Parteitag von Gera, wo die liberalen Delegierten sich erst der Lust an der Filetierung des eigenen Parteichefs Klaus Kinkel hingaben und dann vom Horror vacui über das Fehlen personeller Alternativen gepackt wurden, nannte er letzthin ein „reinigendes Gewitter“.

Naturmetaphern haben den großen Vorteil, daß sie die mit ihrer Hilfe beschriebenen Vorgänge als unausweichlich und von Menschen nicht beeinflußbar hinstellen. Westerwelle wollte also sagen: Der so gründlich mißlungene Parteitag ist über uns gekommen, in der gereinigten Luft nach der atmosphärischen Entladung von Gera aber können die Liberalen nun herzhaft durchatmen und unbeschwert weiterarbeiten.

Aber Westerwelles Begriffsprägung war wenig überzeugend. Die Opposition ließ nämlich im Bundestag letzte Woche keine noch so winzige Gelegenheit aus, um die FDP vorzuführen und den Außenminister als Watschenmann der eigenen Partei lächerlich zu machen. Die Bild-Zeitung brachte das auf die Formel: „Bonn treibt einen neuen Sport: Haut den Kinkel!“

Am penetrantesten bemühte das grüne Breitwand-Rhetorikum Joschka Fischer den bösen Geist von Gera. In der Haushaltsdebatte wandelte Fischer ein Monitum des CDU-Altkanzlers Kiesinger ab („Ich sage nur China, China, China“) und störte den FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms mit den Rufen: „Ich sage nur Gera, Gera, Gera.“

Der bislang nicht für Schlagfertigkeit bekannte Solms bewies Geistesgegenwart mit der Replik: „Ich weiß ja, daß Sie sich über unseren basisdemokratischen Parteitag freuen.“

Grüne Parteitage der jüngsten Zeit, so höhnte Solms mit Blick auf das berechenbare Ergebnis des Treffens von Babelsberg, erinnerten ihn dagegen an „das harmonische Weihnachtstrreffen eines katholischen Mädchenpensionats“.

Gut gegeben, Solms! Aber das täuscht nicht darüber hinweg, daß die Liberalen, die sich in Gera auch um aus Deutschland ausgewiesene Kurden sorgten, mit anderen gefährdeten Menschen weniger rücksichtsvoll umgegangen sind. Für den eigenen Vorsitzenden hatte der Parteitag am zweiten Tag gerade noch einen Abschiebestopp beschlossen. Der Unterschied in der Behandlung Kinkels und der Kurden aber ist auffallend: Der Abschiebestopp für die Kurden soll nach dem Willen der liberalen Delegierten unbegrenzt gelten.

Hans Monath