■ Bündnisgrüne fordern Grundrecht auf Girokonto
: Erst ein Konto bedeutet Freiheit

Einige Dinge gehören gewissermaßen zur Menschwerdung in der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Zum Beispiel ein Girokonto. Einer halben Million Menschen werde von den Banken und Sparkassen die Eröffnung oder Führung eines Kontos verweigert, schätzt die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV). Ganz schön viel. Die Banken entledigen sich der unliebsamen Kunden mit verschiedenen Argumenten: Mal beklagt sich eine Postbank, der Kostenaufwand für die Kontoführung sei so hoch, daß es sich für das Geldinstitut nicht rechne. Mal wird auf die Verschuldung und Kreditunwürdigkeit des Kunden hingewiesen, so als sei es nicht möglich, ein Konto zu gewähren, auch ohne eine Überziehungsmöglichkeit einzuräumen. Gerüchteweise verlautete auch schon, die Sparkassen und Banken wollten schlichtweg keine Sozialhilfeempfänger in ihren Schalterhallen, weil diese die „Schalter-Hygiene" störten. Allen Argumenten ist eins gemein: Die Armut paßt nicht zum modernen Bankenwesen.

Aber leider ist die Armut auf das Bankenwesen angewiesen. Kein Wohnungssuchender hat Aussicht auf eine neue Bleibe, kein Arbeitsloser findet einen neuen Job, wenn er kein eigenes Konto vorweisen kann. Ein AgV-Gutachten hat den Anspruch auf ein Girokonto eingefordert mit einer interessanten Begründung: Die Forderung erwachse aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip. Dazu zähle die Versorgung der Bevölkerung mit Grunddienstleistungen. Und dazu gehöre wiederum spätestens seit den achtziger Jahren ein Girokonto.

Ohne die Banken also keine freie Entfaltung der Persönlichkeit. Oder andersherum: Gerade an der Versagung eines Kontos für die Armen merkt man, wie sehr eigentlich die freie Entfaltung der Persönlichkeit von der Hausbank oder ortsansässigen Sparkasse abhängig ist. Darüber müßten sich die Banken doch eigentlich freuen. Die Forderung der Grünen und der AgV an die Gesetzgeber, das Recht auf ein Girokonto zu verankern, folgt nämlich nur der Logik der Geldinstitute selbst: Sie werben bei Jugendlichen für die Eröffnung eines Kontos, den ersten Kredit, als wäre dies ein Initiationsritus.

Damit stimmt es auch nicht, daß die Armut nicht zum Bankenwesen paßt, im Gegenteil: Oftmals ist sie eine Folge davon. Nicht selten trägt das Kreditsystem eine Mitschuld daran, daß Schwache ausgegrenzt werden. Denn erst leichtfertige Kreditgewährungen eben durch die Banken lassen viele Betroffene in ein lebenslanges Schuldnerdasein absacken. Es geht also nicht nur darum, mit staatlicher Regulierung den Banken soziale Verantwortung aufzuzwingen. Es geht auch darum, zu verhindern, daß sich die Banken kurzerhand derer entledigen, die ihnen zum Opfer gefallen sind. Barbara Dribbusch