: „Niemand liebt Dich so wie ich“
■ Beischlaf der Herzen: Ein Interview mit Cora Frost , die mit Tim Fischer im Jungen Theater gastiert
„Niemand liebt dich so wie ich“, kraulen sich im Jungen Theater allabendlich zwei gegensätzliche Geister die Flügel: Tim Fischer, als Sänger nicht nur unter Schwulen bekannt, trifft Cora Frost, die bissige Chansonette mit den „lesbischen Avancen“. Beide gastierten mit Soloprogrammen in Bremen, um nun daselbst das schöne Duett aus den Einmachgläsern mehrerer Jahrzehnte zu befreien. Wie konnte das passieren? Wir fragten Cora Frost:
taz: Ihr werdet von der Presse als perfektes Paar gefeiert. Wie habt ihr euch gefunden?
Cora Frost: Wir sind uns über den Weg gelaufen im BKA (Berliner Kabarettanstalt, die Red.), wo ich mit meinem Pianisten Gert Thumser aufgetreten bin. Da hab ich Tim Fischer, der damals noch Zarah Leander Lieder gesungen hat, zum ersten Mal gesehen. Das war vor drei oder vier Jahren.
Und da hat es gefunkt?
Nein. Wir sind zunächst zusammen rübergewechselt ins Spiegelzelt. Dort haben wir uns nach den Vorstellungen immer getroffen und in trunkenem Zustand zusammen gesungen. Eigentlich haben wir uns mehr am Klavier rumgerollt, wie besoffen in Sägespänen.
Wie seid ihr auf Duette gekommen?
Die haben eine bestimmte Faszination, zumal, wenn man betrunken ist. Man hört sein Lieblingsduett an und denkt, Duette sind toll. Dem ist ja gar nicht so. Als ich klein war, bin ich bei Duetten immer rausgelaufen.
Wann schlug das um?
Als man selbst Duette erlebt hat.
Duette in der Zeit von Cyber Sex muten anachronistisch an.
Ja, jetzt ist eher in, in Hundertschaften zu singen.
Angesichts dessen, daß auch Küsse auf der Straße seltener werden, könmnte man meinen, es grassiert eine Scham davor, Gefühl zu zeigen?
Ja. Andererseits: wenn mal ein Duett reinhaut, dann gehts auch gleich ab.
Wie reagiert das Publikum?
Duette auszuwählen, ist eine beinharte Arbeit, denn von 30 sind 30 gleich. Da Akzente zu setzen, ist sehr schwierig. Es gibt wenig gute Duette, doch selbst die schummern so dahin. Das kann man nicht den ganzen Abend machen. Das Publikum ist trotzdem sehr offen, aber manchmal nimmt es die Ironie nicht mehr wahr, und die Leute gehen rein wie in die Peter-Alexander-Show. Das kann nerven.
Ich habe mit mehr Brüchen gerechnet.
Du kannst Duette nicht pausenlos brechen, auch das wiederholt sich.
Auf der Bühne sehen wir einen Star der Schwulenszene und eine Frau, die in ihren Soloprogrammen lesbische Lieder singt. Sie tragen Stücke vor, die vornehmlich von Heteros für Heteros geschrieben wurden.
Ich glaube, daß viele Duette von Schwulen geschrieben wurden. Außerdem lieben gerade Schwule, und nicht nur Heteros die schmalzigsten Duette. Durch das seltsame unserer Paarung lösen Tim und ich das aber ohnehin auf. Wir sind ja kein erotisches Paar in dem Sinne, daß man denkt, jetzt krachts gleich. Wir singen eher als Geschwister.
Du hast mal gesagt, du hättest den Blick eines Schwulen?
Ich habe früher in Travestie-Nachtclubs gearbeitet und viel mit Schwulen gelebt. Das ist ganz simpel Prägungssache, wie bei Enten. Wer viel mit Schwulen zusammenlebst, bekommt einen schwulen Blick.
Soll das Duette-Programm Harmonie in die Welt bringen?
Für mich ist das eher eine harte und interessante Facharbeit. Und es ist schön, das mit Tim zusammen zu machen. Wenn es mit Tim nicht läuft, läuft das ganze Programm nicht.
Die Soloprogramme sind bissiger. Möchtest du eigentlich eher böse sein?
Für mich wohnt das Liebevolle gleich neben der Bosheit, wie in einer Beziehung. Manchmal bin ich gern böse, aber ich hasse es, wenn ich sarkastisch werde.
Warum?
Das ist ein Sport, dem vor allem junge Menschen anhängen. Ich mag es nicht, ich will nicht bitter werden. Humor ist eine bessere Art zu überleben.
Du bist Anfang des Jahres von München nach Berlin gegangen - warum?
Städte sind wie Geliebte. Man hockt nicht da und ist glücklich oder unglücklich. München ist sehr prall, ist wirklich so eine Tittenstadt. Ich mag das, diese Türme der Frauenkirche, diese riesigen Titten, die über der Stadt hängen. Aber die Leute sehen halt auf der Bühne nur Mann oder Frau. In Münchnen war ich immer ein Monster. Wenn man so zwischen den Stühlen hängt, ist man eben suspekt. Darum mußt ich weggehen.
Wird man dich zukünftig häufiger im Bremer Jungen Theater sehen?
Ja, ich denke schon.
Fragen: Dora Hartmann Die Duette sind bis zum 30.12.94 zu sehen und zu hören.
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