Barmherzige Süppchen in der heiligen Nacht

■ Gedränge am Heiligabend beim CVJM / Jahr für Jahr mehr BesucherInnen

„Oh, jetzt gibt's noch ein barmherziges Süppchen“, sagt Eberhard Panker*. Sein zynischer Unterton ist unüberhörbar. Der arbeitslose Mann sitzt vor den bunten Tellern im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM). Seine Alternative wäre es, am Heiligabend alleine zu Hause zu sitzen, als „neudeutsch: Single“, wie er sich selbst nennt. Doch hier kann er „rumblödeln, Küchle futtern, und über Bonn schimpfen - über die 550 Weihnachtsmänner in einem Tempel“. In Bonn würden sie nur quatschen, auftischen dagegen täte nur das CVJM und die Kirche, sagt er.

Seit 10 Jahren bietet das CVJM im Konsul-Hackfeld-Haus in der Birkenstraße eine Herberge am Heiligabend. Die „offene Nacht“ von acht bis acht“ wird von etwa 250 Personen genutzt, erzählt ihr Begründer Frank Baumann, CVJM-Sekretär. In Frank Baumanns Augen spiegeln sich die Weihnachtskerzen auf den Tischen. Man will es hier wenigstens für eine Nacht „schön machen“, aufmunternde Worte gehören, genauso wie der Weihnachtsbaum und die Kreppapier-Sterne dazu. Für erschöpfte Obdachlose stehen in dieser Nacht Betten bereit. Schon um acht kam der erste, „der Rotz und Wasser heulte, weil er erst vor drei Tagen aus dem Krankenhaus raus kam und nun völlig durchgefroren war“, erzählt Baumann.

Dieses Jahr sei er allerdings über den regen Zulauf „direkt erschrocken“. Kaum wurden die Türen geöffnet, war der Laden rappelvoll. Die soziale Bedeutung dieser Einrichtung kann man wohl auch an dem erstmaligen Besuch der Sozialsenatorin Irmgard Gaertner messen. Früher ließ sich aus der Politik hier niemand blicken, weiß Baumann.

Dem Selbstverständnis nach ist das CVJM eine kirchliche Einrichtung. Normalerweise würde der Sekretär auch „das Wort“ verkünden. Aber eine Andacht an diesem Abend fiele ihm immer schwerer. „Es ist nicht leicht den Leuten zu sagen, daß es ein Fest der Liebe und des Friedens ist, wenn sie das nicht erleben. Sie sind taub geworden auf dem Ohr.“

Taub geworden für solche Botschaften sind nicht nur die Penner oder die sogenannten Sozialfälle. Von den Anwesenden machen sie ohnehin nur rund ein Drittel aus. Unter den anderen finden sich alternative Computerprogrammierer, elegante und höfliche RentnerInnen, Handelsreisende ohne Heimat, verzweifelte Sozialpädagogen, ehemalige Junkies - allen ist nur eins gemeinsam: zu Hause wären sie allein, und wenn es schon dies seltene Angebot zur Geselligkeit gibt, wollen sie es nutzen. Auch den eloquenten Dolmetscher für Englisch und Russisch interessiert es nicht weiter, daß er bei Christen zu Gast ist. Er suche hier lediglich ein bißchen Zerstreuung und womöglich einen Schachpartner. „Der heilige Abend ist ein toter Tag, was urbanes Leben angeht“, sagt er. Früher, ja, da habe er Weihnachten mit seiner Familie gefeiert, als es sie noch gab. Auch der Mann aus Ungarn zwei Tische weiter ist hier, weil es nach der eingereichten Scheidung seiner Frau die Familie nicht mehr gibt. „Allein kriegt man Gedanken wegen Früher und wegen dem Kind.“ Hier spielen sie Skat und trinken zwei oder drei Kaffee. Und bis acht Uhr wollen sie durchhalten. Denn dann gibt es noch ein Frühstück zum Abschluß.

Vivianne Schnurbusch

*Name von der Redaktion geändert