Hospize: Schmerzfrei und in Ruhe Abschied nehmen

■ Gegen die Hilflosigkeit beim Umgang mit dem Tod: Mehrere Gruppen und Organisationen planen in Hamburg Sterbehäuser, in denen unheilbar Kranke ihre Leben menschenwürdig beenden können

Von den eher zufälligen Orten des Sterbens auf der Straße, von Katastrophen oder Selbstmord abgesehen, sterben die meisten Menschen in Kliniken oder Pflegeheimen: Allein, meist unter menschenunwürdigen Bedingungen zwischen piepsenden EKG-Geräten und laufenden Infusionen. Die Krankenhausroutine läßt Schwestern und Pflegern weder Zeit noch Kraft, sich um die Sterbenden zu kümmern. Wenn alles vorbei ist, werden die Toten mit einem Namenszettel am großen Zeh versehen von der Station geschoben, sofern gerade niemand auf dem Flur ist.

Räume ohne „Maschinenpark“

In Hamburg bemühen sich augenblicklich mehrere Initiativen, den Tod nach dem Vorbild der britischen Hospizbewegung humaner zu gestalten. Wie in anderen bundesdeutschen Städten soll auch in der Hansestadt die Gründung von Hospizen zur Sterbebegleitung in Angriff genommen werden. Dort sollen Schwerstkranke unbehelligt vom medizinischen Maschinenpark nach Möglichkeit schmerzfrei sterben dürfen. Die Zimmer sollen so individuell wie möglich gestaltet, eine Rund-um-die- Uhr-Versorgung gewährleistet und Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige eingerichtet werden.

„Sterbehaus“ – diese Bezeichnung hören die couragierten Planer von der Aids-Hilfe nicht gern. Es solle auf keinen Fall der Eindruck entstehen, „hier komm ich nie wieder raus“, sagt Geschäftsführer Matthias Schwark. Selbst wenn die Aids-Erkrankung ihr Vollbild erreicht hat, gebe es immer wieder Phasen, in denen die Betroffenen für sechs oder acht Wochen nach Hause gehen können. „Hamburg Leuchtfeuer“ heißt die Initiative der Aids-Hilfe, die bereits vier Wohnungen für HIV-Positive unterhält. Ein ambulanter Pflegedienst und eine stationäre Einrichtung, also ein Hospiz sollen folgen. „Es geht nicht um eine Luxusversorgung, sondern darum, zu zeigen, daß Aids etwas Besonderes ist. Eine Krankheit, die mit Liebe und Lust zu tun hat, an der die Menschen sehr jung sterben“, so Schwark. Das Leuchtfeuer-Haus, für das gerade ein Konzept entsteht, soll über 25 Betten verfügen und voraussichtlich Ende 1996 seine Pforten öffnen.

Ein Tageshospiz in Volksdorf

Den Patienten in der letzten Lebensphase moralische Unterstützung zu gewähren, das schwebt auch den Mitarbeitern des Malteser-Hilfsdienstes vor. Die Wohlfahrtsorganisation eröffnet im nächsten Frühjahr in Volksdorf ein Tages-Hospiz mit zehn bis fünfzehn Plätzen. Ein Fahrdienst wird die Schwerstkranken morgens holen und nachmittags in ihre Wohnung zurückbringen. Tagsüber soll viel Zeit für Gespräche und Musiktherapie. „Oft sind sterbende Kranke unzureichend versorgt“, so die Beobachtung Michael Konrads vom Malteser-Hilfsdienst. Viele Angehörige sind schlicht überfordert. Der bettlägerige, bewußtseinsklare, von Schmerzen und Todesangst gepeinigte Patient erlebt in seiner Umgebung eine bleierne Hilfslosigkeit, eine Schweigemauer um die Themen Tod und Schmerzen, die nur schwer durchbrochen werden kann.

Die Beratungsstelle Charon hat sich zur Aufgabe gemacht, unheilbar Kranke und ihre Familien zu unterstützen. Über die psychosoziale Lebenshilfe hinaus vermittelt Charon professionelle und ehrenamtliche Helfer für die Versorgung sterbender Menschen. Behördliche Sparmaßnahmen graben dem Projekt zur Zeit freilich das Wasser ab. „Wir haben etwa 1000 Anfragen im Jahr“, erzählt Uta Schroeder. Darunter von zahlreichen Tumorkranken, die gerade mit der Diagnose konfrontiert worden seien. Die Unterstützung durch die Mitwirkenden der Beratungsstelle endet erst mit der Trauerarbeit in der Familie der Gestorbenen. Und das, so Uta Schroeder, „mit drei bewilligten Stellen und vielen Spenden...“

Auf Spenden angewiesen ist auch der Verein Hamburger Hospiz, ein Zusammenschluß von Medizinern mit dem Ziel, ein Hospizhaus für Tumorpatienten einzurichten. Die unheilbar an Krebs Erkrankten sollen dort gut aufgehoben sein, ohne bevormundet zu werden. Vorgesehen sind 20 Einbettzimmer in heller und freundlicher Atmosphäre. Schmerzfreiheit und umsichtige Pflege sollen dem Patienten ermöglichen, mit seinem Leben in Ruhe abzuschließen.

Bonner Geld liegt auf Eis

Die größte Hürde besteht für den Verein darin, ein geeignetes Gebäude zu finden. Die von ihm favorisierte Frauenklinik Altona haben die Krankenhausplaner nach ihrer Schließung für Personalwohnungen vorgesehen. Andere Liegenschaften gibt es zur Zeit nicht. „Die Verhandlungen mit der zuständigen Behörde sind sehr langwierig“, kritisiert Hospiz-Gründer Wolfgang Kendel. Eine von Bonn signalisierte Anschubfinanzierung könne seit zwei Jahren nicht abgerufen werden, weil die Höhe des daran gekoppelten Zuschusses vom Hamburger Senat nicht feststehe.

Lisa Schönemann