Sanssouci
: Nachschlag

■ Oder besser: Zwischenschlag - Hauptsache Musik

Tja, da stand man nun gegen Jahresende im Huxleys Jr., lauschte den Klängen von Ken Chambers, dem ehemaligen Hirn der wegweisenden Moving Targets, und wunderte sich über die gähnende Leere: Wo waren sie alle hin, die Leutchen mit dem exquisiten Geschmack? Wo waren sie bei Bobby Sichran, bei Terry Lee Hale, bei Kim Salmon, Cop Shoot Cop? Die Schnauze voll, das Geld zu knapp, abgewandert in die House- und Techno- Tempel oder einfach überfordert mit den trotz diverser Todesanzeigen weiterhin im Rock sich ausdifferenzierenden Subnischen? Zu vermuten wäre noch die mentale und finanzielle Vorbereitung auf die R.E.M.sche Monster-Tour oder ähnliche anstehende Großveranstaltungen, vielleicht aber auch ein ganz simples Desinteresse an solchen Überlegungen – ein Verdacht, den mein Weihnachtsbesuch in der alten Heimat bestätigte: Gibt es doch (durchaus junge) Leute, denen so enorm wichtige Namen wie Kurt Cobain oder Douglas Coupland nur irritierende Fragezeichen im Gesicht verschaffen, die einen Slacker für einen Schokoriegel halten, die sich ärgern über die augenblickliche Vergriffenheit der Stonesschen „Flashpoint“ oder darüber, daß Eltern das laute Hören eines „riesigen“ Songs ausgerechnet von Bob Seger nicht schätzen!

Alles seltsam, fremd und doch auch sympathisch, denn seinen Freizeitpark richtet sich halt jeder immer noch nach eigenem Gutdünken ein. Nach Lust und Laune scheint man sich abkoppeln zu können vom medialen Geblubber, kann sogar schimpfen über ach wie schlecht sortierte Berliner Megastores, die verdammt noch mal eine ganz bestimmte Golden Earing (!) Compilation nicht auf CD haben! Ja, ausgerechnet in unserer very own Hauptstadt passiert so was; in einer Stadt, in der es sogar Fans von Eggman Five und anderer einheimischer Musik gibt, die bekanntlich nicht eine der aufregendsten ist: ein City-Sound, dessen Energie meist dabei draufgeht, „Freunde von technischer Versiertheit zum Reinhören zu veranlassen“, wie es ein Autor des beliebten Berliner Fanzines Nigeria anläßlich einer Plattenbesprechung ausdrückte: alles Entertainment, bloß der eher unaufgeregten Art, wo sich der Big-Sell-Out wie von selbst verbietet. Wenig große Scheine wedeln da, und daß eine Zigarettenmarke ihr Sponsoring anbieten könnte, ist für diese Sorten von Ambitioniertheit, Fantum, Rock und Musikproduktion nahezu auszuschließen. Über den leeren Vulkanen von Techno tobt sich der Mainstream aus, der allzu häufig kleinen, manchmal feinen, manchmal natürlich auch sehr öden Gesellschaft des Rock mit eigener Moral wird das auf ewig nicht passieren. Ein paar Gleichgesinnte dürften es jedoch schon sein, demnächst, wenn ich trotz aller Irr- und Wirrnisse wieder in einem kleinen Konzertsaal stehe. Denn zu guter Letzt kann man sich ihr ja nie verschließen, der Hauptsache Musik. Gerrit Bartels