Wer einmal least

■ Die großen US-Medienkonzerne kommen an ihre eigenen Filme nicht heran - weil Leo Kirch die deutschen Rechte hat

Was war das für ein fettes Jahr, dieses 1994! Jedenfalls für das deutsche Privatfernsehen. Sat.1 hängte zum Jahresschluß die ARD im Quotenrennen ab, Pro 7 hat sein erstes Gewinnjahr hinter sich, und RTL sonnt sich im Erfolg seiner beiden Kanäle. Und wie es erst 1995 wird! Da startet der Kabelkanal sein „Kabel Plus“, im März will das Regional-TV „Hamburg1“ den Betrieb aufnehmen, und ein halbes Dutzend Spartenkanäle haben bereits neue Lizenzen beantragt.

Kein Wunder, daß die amerikanischen Medienkonzerne jetzt auf den profitträchtigen Markt drängen: Murdoch hat – für eine Mark, wie man so sagt – die Hälfte des notleidenden Senders Vox gekauft; Viacom will ein deutsches Kinder- und Familienprogramm namens Nickelodeon produzieren; Disney macht künftig bei „Super RTL“ mit, und eine Gruppe um Time Warner wird Viva 2, den Musikkanal „für die Über-30-Jährigen“, ins Netz bringen.

Doch ein großes Problem haben die Major-Studios der amerikanischen Konzerne, wie einige Insider jetzt dem US-Filmmagazin Variety detailliert schilderten: In grauer Fernsehvorzeit, den 60er und 70er Jahren, verkauften sie die Rechte an ihren deutsch synchronisierten Filmen an den Mann, der damals nichts als Filmhändler war und zu dessen Imperium heute die Mehrzahl der deutschen Privatsender gehört: an Leo Kirch. Damals dachten sie wohl nicht im Traum daran, daß die technische Entwicklung – heute Satelliten und morgen Digitalisierung – auch ihnen den direkten Weg in die deutschen Fernsehhaushalte öffnen würde.

Jetzt bekommen sie die Macht des Leo Kirch zu spüren: Ohne alte Filme können ihre neuen Sender kaum das Programm füllen, und die weiß der Müchner Stratege seinen neuen Konkurrenten geschickt vorzuenthalten. Als Viacom für sein Familienprogramm Nickelodeon einige deutschsprachige Rechte von ihm wollte, so berichtet Viacom-Vizepräsidentin Liz Loyer gegenüber Variety, „kam nie etwas dabei heraus“. Eine anonyme Quelle aus dem gleichen Haus wurde noch deutlicher: „Das dauerte und dauerte, eine Ausrede nach der anderen. Sie sagten, sie wären interessiert. Wir haben guten Glaubens weiterverhandelt, aber es kam nie zu einem Abschluß.“

Jene in Deutschland stationierten US-Manager, die es sich mit Kirch nicht verderben dürfen, sind in ihrer Wortwahl vorsichtiger. Mark Palmer, Chef der Central European Development Co., die beim Berliner Regionalsenders IA Mehrheitseigner ist, über Kirch: „Ich denke, es stünde mehr in Einklang mit dieser Demokratie, eine stärkere Dezentralisierung der Medien zu fördern.“

Was das im Klartext heißt, gab es auch für das US-Fachmagazin nur off the records zu hören: Kirch soll so hohe Preise gefordert haben („das Dreifache“), daß IA dankend verzichtete. Offiziell heißt es bei Kirch natürlich: „Es gibt niemanden, an den wir aus Prinzip nicht verkaufen würden“ (Geschäftsführer Gottfried Zmeck). Alles eben eine Frage des Preises.

Und Vox, seit letzten Sommer zur Hälfte in Händen von Rupert Murdoch, hatte für seinen Neustart auf die unerschöpflichen Programmressourcen von dessen Fox- Studios gezählt. „They were half- right“, urteilt das Fachblatt Variety trocken: Schließlich gehörten die deutschen Synchronisierungen der Fox-Filme einzig und allein Leo Kirch, und Verhandlungen, sie von ihm „zurückzuleasen“, führten zu nichts. Die gleichen Filme noch einmal zu synchronisieren wäre dagegen für die jetzt entstehenden Billigsender unbezahlbar. Wenn man bei IA schon „Ein-Mann- Teams“ mit Videokameras auf Reportage schicken muß oder, wie Vox, gerade mit Glück am Konkurs vorbeigeschrammt ist, muß das Billigste gerade gut genug sein.

Wie gnadenlos Kirch sein Filmpaket im Konkurrenzkampf nutzt, zeigt eine Episode, die sich nach Informationen von Variety vor zwei Jahren abgespielt haben soll (eine Bestätigung dafür dürfte aus deutschen Quellen wohl kaum zu erhalten sein): Als Time Warner, weltgrößter Medienkonzern, ein großes Filmpaket direkt (und ohne Kirch als Zwischenhändler) an das ZDF verkaufen wollte, soll der große Leo gedroht haben, derartige „Illoyalität“ zu bestrafen, indem er seine deutschen Synchronisierungen nicht freigeben würde. Daraufhin habe Warner klein beigegeben und noch einmal mit Kirch abgeschlossen. Wert: 50 Millionen Dollar.

Auf Dauer allerdings sind beide Seiten aneinandergekettet, auch die Amerikaner haben im Kalten Filmkrieg ihr Drohpotential. Denn ohne ihre brandneuen Spitzenfilme aus Hollywood sind die Uralt- und die zweitklassigen Schinken aus dem Münchner Archiv (geschätzt: 15.000) bald unverkäuflich. So wird wohl zu gegebener Zeit, transatlantisch, eine Hand die andere waschen müssen. Michael Rediske