■ Barmherzigkeitskrieger des Westens auf Eis gelaufen
: Kein Präsent aus Nordkorea

Die Kriege in Bosnien und am Kaukasus lagen uns vor Weihnachten ganz besonders schwer am Herzen. Die Feiertage überschattete dann das fürchterliche Geiseldrama von Marseille. Jetzt geht es uns um keine geringere Sorge: Was wird aus Bobby Hall?

Mit Recht hatten amerikanische Offziere ihre nordkoreanischen Gegenüber bei den Verhandlungen an der koreanischen Waffenstillstandslinie nur auf eines hingewiesen: Bobby Hall, der über Nordkorea abgeschossene US-Pilot, sollte Weihnachten zu Hause in der Familie verbringen. Welches menschliche Anliegen konnte selbstverständlicher sein? Doch wie schrecklich war die Enttäuschung, die das amerikanische Fernsehen vermittelte, als die letzten Tage ohne Neues von Bobby verstrichen. So sehr man auch hoffte, der Weihnachtsmann aus Pjöngjang meldete sich nicht. Wer kam dabei schon auf den Gedanken, daß es Weihnachten in Pjöngjang gar nicht gibt?

„Die fundamentale Quelle aller Konflikte in dieser neuen Welt wird kulturell sein“, schrieb der geehrte Harvard-Professor in seinem mittlerweile berühmten Aufsatz „Der Kampf der Zivilisationen“. Dabei machte er uns auf die einfachste und verständlichste Art und Weise deutlich, wer sich im nächsten Jahrhundert mit wem bekriegen wird: Christen gegen Konfuzianisten, Islamtreue gegen Hinduisten, Japaner gegen Slaven, Lateinamerikaner gegen Afrikaner. „Die wichtigsten Konflikte werden an den kulturellen Gräben zwischen diesen acht Zivilisation auftreten“, prophezeite Huntington. Daran muß heute denken, wem das Leben von Bobby Hall sein eigenes wert ist.

Scheint es manchen Menschen doch geradezu angeboren, noch am heiligsten aller Abende des Jahres unbarmherzig zu sein. Immerhin: Bosnier und Serben fanden sich schließlich doch noch zur Unterzeichnung eines Weihnachtsfriedens. Sogar die fundamentalistischen Terroristen von Marseille taten etwas Verständliches: Sie opferten sich am Feiertag einer heiligen Sache. Hier liegen nicht die tiefsten Gräben der Zivilisationen. Die echten Feinde agierten in der größten Ferne. Sie ließen Bobby Hall einfach nicht frei. Böse, hintertrieben und zu keiner menschlichen Geste fähig – so erscheint das nordkoreanische Regime, häßliches Gesicht fernöstlicher Zivilisation. Einige versuchen noch, in Pjöngjang einen Konflikt zwischen streitenden Parteien des herrschenden Establishments auszumachen. Und doch trifft eines Tages alle die gleiche Schuld: Die Nordkoreaner kannten Weihnachten nicht. Samuel P. Huntington hat das gewußt: „In der unmittelbaren Zukunft wird der zentrale Konfliktpunkt zwischen dem Westen und einigen islamisch-konfuzianistischen Staaten liegen.“ Georg Blume