Von Zuhältern und Reinlötern

Eine Podiumsdiskussion zu überhöhten Telekomrechnungen auf dem Chaos Computer Congress / Hacker kritisieren, daß die Beweislast beim Kunden und nicht bei der Post liegt  ■ Aus Berlin Peter Lerch

„Erotik-Power-Party“, „Verboten“ und „Hard Action“, nennen sich die Servicelines einschlägiger Anbieter, die hauptsächlich von den Antillen und den Kaiman-Inseln aus deutsche Telefonbesitzer zum Telefonanieren animieren wollen. Für 3,12 Mark pro Minute kann sich der Nutzer solcher Dienste Sexualgeröchel reinziehen – nicht nur für die Betreiber der Sexophone-Dienste ein Bombengeschäft. Auch die Telekom verdient kräftig mit – jeweils die Hälfte der Gesprächsgebühr.

Wen wundert es, daß die TeilnehmerInnen der Berliner Podiumsdiskussion zum Thema „rechtliche und technische Aspekte des Telefonmißbrauchs“ den am Dienstag eigens aus Bonn angereisten Vertreter der Telekom massiv attackierten. „Ein Zuhälter ist jemand, der organisierten Sex anbietet“, schimpfte ein Teilnehmer, und warf dem Bonner Telekom- Mann Klaus Busch mangelnde Bereitschaft vor, technische Voraussetzungen zu schaffen, die einen technischen Mißbrauch ausschließen. Schließlich verdiene die Telekom an den Sex-Telefonaten ja Millionen.

In der letzten Zeit war es immer häufiger vorgekommen, daß Telekomkunden horrende Telefonrechnungen erhalten hatten, ohne die genannten Telefonsex-Dienstleistungen in Anspruch genommen zu haben. So auch im Fall der Berlinerin Angelika G., die im Sommer plötzlich 4.300 Telefoneinheiten für nie geführte Auslandsgespräche auf ihrer Telefonrechnung hatte. Die Frau, in deren Haushalt zwei Behinderte leben, weigerte sich, die Rechnungen zu bezahlen und beantragte bei der Telekom, ihren Anschluß für Auslandstelefonate zu sperren.

Diesem Ansinnen soll sich die Telekom nach Auskunft der Frau verweigert haben. Bei der Kundendienststelle, beklagte sich Angelika G., sei man noch frech geworden. „Dann müssen sie mal ein bißchen besser auf ihre Behinderten aufpassen“, soll eine Sachbearbeiterin ihr gesagt haben. Im darauffolgenden Monat wurde ihr erneut eine Telefonrechnung von weit über tausend Mark zugestellt.

Der Umgang mit diesen Fällen ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar: Kunden, die sich über extrem hohe, unzutreffende Rechnungen beklagten, mußten plötzlich ihre Unschuld beweisen. Diese Umkehr der Beweislast wurde auch vom Publikum kritisiert.

Dem hielt der Telekom-Mensch entgegen, daß man seitens der Telekom „kulante Regelungen gefunden habe“. Auf das Gelächter von der Anwesenden antwortete er hilflos: „Das merken sie bloß nicht.“ Es gäbe zur Zeit allerdings keine Anhaltspunkte dafür, daß dritte Personen die Telefonrechnungen mittels elektronischer Manipulationen hochtrieben. „Es ist nicht möglich, sich ins Netz einzuwählen“, behauptete Busch. „Aber ich kann mich reinlöten!“, höhnte ein Mitglied des Chaos Computer Clubs und sagte, daß es eine Schande sei, daß die Telefonbuchsen häufig für jeden frei zugänglich in Kellern oder mitunter sogar auf der Straße angebracht seien. Es gehe weniger um computertechnische Sicherungsmaßnahmen, als um handwerkliche. „Es würde Milliarden kosten, alles zu sichern. Das müßten wir auf die Kunden umlegen. Das wäre doch unfein“, erwiderte Klaus Busch.

Ein Nachrichtenmagazin hatte allerdings in den vergangenen Wochen aufgedeckt, daß Telekommitarbeiter gegen Provisionszahlungen am Telefonnetz manipuliert haben sollen. In diesem Zusammenhang waren auch Telekom- Mitarbeiter festgenommen worden. Dies sei, so der Chaos Computer Club, von der Telekom dementiert und vertuscht worden.

Klaus Busch von der Telekom betonte daraufhin, daß von diesen Manipulationen keine Telekom- Kunden betroffen seien. Er räumte allerdings ein, daß die Telekom selbst mit mindestens zwei verschiedenen Methoden geschädigt worden ist.

In diesem Zusammenhang mußte sich Busch von den Hackern den Vorwurf gefallen lassen, die eigene Technologie nicht im Griff zu haben. „Das größte Abrechnungssystem Europas hat seine eigene Technik nicht unter Kontrolle“, so der Chaos Computer Club. Sobald irgend etwas nicht mehr funktioniere, gerate die Telekom ins Staunen und müsse Siemens um Hilfe bitten.

Statt rechtlicher und technischer Aspekte standen am Ende eher moralische Probleme im Vordergrund der Diskussion. Postler Busch gab unumwunden zu, daß die Sextelefonate eine fette Einnahmequelle seien. „Wir verdienen gerne an den Informationsdiensten“, sagte Busch, ohne konkrete Summen zu nennen. Inhaltlich habe er keinerlei Bedenken. „Es kann nicht Aufgabe der Telekom sein, darüber zu wachen, was übers Netz geht.“