Ist der Ruf erst weggemeißelt...

Der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka bleibt in der Biermann-Affaire am Ball /Neueste Lieferung in „FR“ und „ND“: „Ohne Juden gibt es keinen Antisemitismus“  ■ Aus Berlin Mariam Niroumand

Der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka hat den Rat Elfriede Jelineks, sich einfach einmal eine Zeitlang zurückzuhalten, nicht befolgt. In einem offenen Brief an Konrad Weiß, veröffentlicht im Neuen Deutschland als Replik auf dessen Hetzartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bekräftigt er seine Äußerung, er wünsche Wolf Biermann die Nürnberger Rassengesetze an den Hals – und nimmt damit seinen Apologeten, die das Ganze für einen Black out gehalten hatten und für „Schwamm drüber“ plädierten, erfolgreich jede Argumentationsgrundlage.

Hier der Originalton Hrdlicka: „Biermann verletzt [mit seinen Tiraden gegen Heym und Gysi, d. Red.] das minimalste Selbstverständnis der Solidarität, und so wünsche ich ihm – einem Betroffenen (!) die Nürnberger Rassengesetze an den Hals. Was hätte ich ihm sonst an den Hals wünschen sollen? – Das Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten? Biermann hätte es sich für seine antisemitischen Attacken verdient. Vielleicht könnte man ihm noch das ,Bundes-Denunzianten- Verdienstkreuz‘ an die Brust heften?!“

In einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau wiederum erläuterte Hrdlicka, ebenfalls gestern, wie es zu seiner Äußerung, er wünsche Biermann die Nürnberger Rassegesetze an den Hals, gekommen war – und offenbart dabei höchst erstaunliche Ansichten. Angesprochen auf die Tatsache, er verwende in letzter Zeit so auffällig häufig das Wort „Rasse“, erklärt Hrdlicka: „Man kann nicht von einem Antikommunismus sprechen, wenn es keine Kommunisten gibt, von einem Antisemitismus, wenn es keine Juden gibt, von einem Antifaschismus, wenn es keine Faschisten gibt. Natürlich gibt es Rassen. Dieser Professor Fischer, der im Fernsehen Stellung für mich bezogen hat, der hat erzählt, als sich eine Tante von ihm hat taufen lassen, haben alle gesagt, deshalb bleibst du doch Jüdin. So reden also die Juden untereinander. Und daß die Juden sich auf etwas berufen, auf das man sie dann nicht ansprechen darf, finde ich verrückt.“

Einmal Jüdin, immer Jüdin. Hat Hrdlicka schon mal was von „Antisemitismus ohne Juden“ gehört? Wenn der Antisemit keinen Juden hat, muß er ihn sich erfinden? Hrdlickas forsches, von keiner Kenntnis irgendeiner Antisemitismusforschung getrübtes Statement läßt ja wohl nur den Umkehrschluß zu, daß die Juden den Antisemiten doch irgendeinen Anlaß geboten haben müssen, sonst würden die sie schließlich nicht so hassen ...

Aufschlußreich auch Hrdlickas Kommentare zur Kunst: „Ich glaube, daß es ganz schön ist, wenn man sich einen rührenden Farbfleck an die Wand hängt; aber Kunst, die nicht direkt mit menschlichen Problemen, mit Politik, mit Religion, mit Psychiatrie zu tun hat, ist keine. Künstlerisch war es immer ein Alibi, wenn man abstrakt gemalt hat, da war man politisch eher akzeptabel.“

Vom Tisch sind so die Versuche, der „Nicht-Erzählbarkeit“ der Massenvernichtung ästhetisch zu begegnen; von weniger dramatischen Darstellungsstrategien der künstlerischen Moderne gar nicht erst zu reden. Offenbar glaubt Alfred Hrdlicka, mit dem Hammer trauern zu müssen.

Warum fordert er nicht gleich eine volksnahe Kunst?!