Jahr der Chancen?

■ Hafenstraße: Nach der Probe jetzt das Exempel: Räumen oder privatisieren

Ein Probejahr auf's Exempel: „Darum bekommt die Hafenstraße noch eine Chance“ – eine völlig unerwartete Botschaft, die Bürgermeister Henning Voscherau da im Februar via Abendblatt an die Bewohner der Streitimmobilie sandte. Wohlverhalten im Tausch für zukünftiges Wohnrecht: Der Bürgermeister, ein Wolf im Schafspelz?

Werden sie stillhalten, wenn die Bagger in der Nachbarbaulücke anrollen, so fragte sich Hamburg. Sie kämpften, aber mit Worten: Für ein selbstverwaltetes Stadtteilzentrum statt der geplanten Sozialwohnungen. Und sie verloren – den Kampf um ihr Genossenschaftsprojekt. Von einem imposanten Bauzaun geschützt wurden und werden die Wohungen gebaut – ungestört. Dieses Stillhalten der Bewohner wurde auf der Senatsbank von vielen mit Wohlwollen registriert.

Dann im November ein nicht sehr aufsehenerregender Polizeieinsatz am Hafenrand: Ein an die Häuserwand gemalter Stern, Symbol der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, rief die Staatsmacht mit Farbe und Pinsel auf den Plan. Ganz ohne Gegenwehr ließen einige der Bewohner den Maleinsatz der Uniformierten nicht geschehen.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: „Die ausgestreckte Hand ausgeschlagen“ hätten die Bewohner, erklärte Voscherau diesmal via Bild, und „die Bewährungsfrist ungenutzt verstreichen lassen.“ Räumen oder Privatisieren, zwischen diesen Alternativen solle die Bürgerschaft Anfang –95 entscheiden. Das Vermittlungsangebot der Patriotischen Gesellschaft lehnte der Bürgermeister als nicht weitgehend genug ab. Jetzt heißt es: Käufer, verzweifelt gesucht!