"Störche" und Pirouetten

■ Schlittschuhlaufen in Berlin-eine taz-Serie / Teil 4: Das Wilmersdorfer Eisstadion / Die Mädchen können früher Schlittschuhlaufen lernen als die Jungen

Die fünfjährige Alina breitet die Arme aus, fährt ein paar Schritte und winkelt dann das rechte Bein an. „Storch“ heißt die Übung, und trotz des Nieselregens übt das Grüppchen fünf- und sechsjähriger Kinder im Wilmersdorfer Eisstadion sehr konzentriert. „Fliegen kann ich auch“, sagt Alina ein wenig schüchtern und führt vor, wie sie mit nach vorne geneigtem Oberkörper und ausgebreiteten Armen auf einem Bein über das Eis gleitet.

Für die Kleine mit dem Lockenkopf ist es erst die siebte Kursstunde und schon dreht sie Pirouetten, wenn auch noch etwas breitbeinig. „Es soll Spaß machen“, sagt ihre Mutter, Susanne Kausch, die vom Rande der Eishockeybahn das Training verfolgt. „Im Winter wollen die Kinder nie raus, weil es so kalt ist. Aber ein bißchen Sport sollen sie schon machen.“ Auch der zehnjährige Bruder von Alina hat einen Kurs belegt. „Kinder, die Sport treiben, kommen erst gar nicht auf dumme Ideen“, meint die 33jährige. Auch sie selbst hat ihre Schlittschuhe ausgemottet und dreht während des Trainings ihrer Tochter ein paar Runden auf der 400-Meter-Bahn, die die rechteckige Eishockeyfläche umschließt.

Zuweilen überflügelt der Nachwuchs seine Eltern recht schnell. Trainer Dirk Beyer erzählt von einer Mutter, die von ihrer fünfjährigen Tochter ausgelacht wurde, weil sie so wackelig fuhr. „Daraufhin hat sie beschlossen, auch ein paar Unterrichtsstunden zu nehmen.“ Für eine andere Mutter, die ihrem Sprößling nacheiferte, endete der Versuch allerdings im Krankenhaus. Sie brach sich bei einem Sturz den Arm. Die Kleinen sind eben auch im Hinfallen geschickter.

„Mädchen können mit vier Jahren anfangen, Schlittschuh zu laufen, Jungen erst mit fünf“, stellt Trainerin Christa Mai fest. In diesem Alter seien die Mädchen den Jungen in ihrer Entwicklung voraus. Der viereinhalbjährige Robert müht sich tatsächlich ziemlich ab. „Vor zwei Monaten war es eine Katastrophe, bei jedem zweiten Schritt ist er hingefallen“, meint seine Mutter. Anstatt aufzugeben, engagierte die Sportjournalistin einen Privatlehrer. Der lockt nun mit Engelszungen Robert Runde um Runde durch das Stadion. Andere Eltern hätten ihr zwar davon abgeraten, weil Privatstunden in diesem Alter Geldverschwendung seien, aber zu Hause sei der Bursche immer so unruhig. „Für Ballettstunden ist er ja auch noch zu klein“, bedauert sie. „Ich mache keine Pläne für ihn, aber wenn man soviel Zeit und Geld investiert, träumt man natürlich ein bißchen ...“ Noch ist Robert allerdings weit davon entfernt, auch nur den „Freiläufer“ zu bestehen, das Pendant zum „Freischwimmer“. Für die Prüfung müssen die Kinder die Hocke, den „Storch“, das Übersetzen in den Kurven und Bremsen sicher beherrschen. Robert setzt tapfer einen Fuß vor den anderen und strahlt ob seiner Fortschritte. Die Mädchen aus Alinas Gruppe laufen dagegen ganz fließend. Später überredet Roberts Mutter ihn, noch eine letzte Extrarunde auf der 400-Meter-Bahn zu drehen – dabei wäre er viel lieber nach Hause gegangen. Dorothee Winden

Eisstadion Wilmersdorf, Fritz-Wildung-Straße, U-Bhf. Fehrbelliner Platz und Bus 115 oder S-Bhf. Hohenzollerndamm/

Öffnungszeiten: Mo, Di, Fr 9.00 bis 18.30 Uhr, Di und Do 9.00 bis 17.30 und 19.30 bis 22.00 Uhr, Sa 9.00 bis 21.30, So 9.00 bis 17.00 Uhr, Silvester 9.00 bis 12 Uhr, Neujahr 12 bis 17 Uhr. Eintritt: Erwachsene 4 Mark, Jugendliche/erm. 2 Mark, Schlittschuhe können ausgeliehen werden.