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Autorenhonorare auch für die Putzfrau

Die literaturWERKstatt Pankow, Berlins engagiertestes Literaturhaus soll 1995 mit der Hälfte seines Etats auskommen. Angeblich muß gespart werden, damit das Kinderliteraturhaus LesArt finanziert werden kann  ■ Von Michael Bienert

Zum Jahreswechsel verschickt die „literaturWERKstatt“ in Pankow einen Rundbrief, in dem sie die Empfänger ihres Monatsprogramms freundlich um Briefmarken bittet. Zugleich teilt sie mit, daß ihr für die kommenden beiden Jahre die Mittel für öffentliche Veranstaltungen um die Hälfte gestrichen worden sind. Davon betroffen sind zunächst die Veranstaltungsreihen zu unbekannten fremdsprachigen Literaturen, mit denen sich das Haus seit seiner Eröffnung im Herbst 1991 weit über den Berliner Osten hinaus profiliert hat.

In der laufenden Reihe über die Literaturen des Kaukasus wird die dagestanische fehlen und die armenische nur in reduziertem Umfang vorgestellt werden können. Beschnitten wird auch die Serie von Colloquien zum Antifaschismus als Wertbegriff und Mythos in der ehemaligen DDR: Die Abschlußveranstaltung zum Verhältnis von Antifaschismus und Antisemitismus, die eine Brücke zur Gegenwart schlagen sollte, ist bereits abgesagt. Die Kürzungen im Doppelhaushalt 1995/96 des Landes Berlin wirken sich auf die literaturWERKstatt besonders kraß aus, da sie als jüngstes der Berliner Literaturhäuser schon in den vergangenen Jahren chronisch unterfinanziert war.

Offiziell erhält das Haus zwar nur 20.500 DM weniger, gerade drei Prozent des Gesamtetats, doch diese können allein bei den Mitteln für öffentliche Veranstaltungen eingespart werden.

Da die Reinigung bei der ursprünglichen Veranschlagung der Kosten für den Unterhalt des Hauses vergessen wurde, muß auch die Putzfrau inzwischen aus dem Topf bezahlt werden, aus dem eigentlich die Autorenhonorare bestritten werden sollen. Auf rund 90.000 DM veranschlagt Thomas Wohlfahrt, der Leiter des Hauses, das anstehende Defizit. Da weder beim Personal noch bei anderen Fixkosten gespart werden kann, bleiben nur Kürzungen im Veranstaltungsbereich.

„Das geht an die Substanz“, meint Margit Manz, die an der Programmgestaltung mitarbeitet. Das Haus lebe schließlich davon, daß es der Öffentlichkeit zur Verfügung stehe. Mit diesem Ziel wurde die ehemalige Grotewohl-Villa, seit 1980 Clubhaus des DDR-Schriftstellerverbandes, in der Wendezeit von AutorInnen besetzt. Als ein Ort, der durch seine ungezwungene Atmosphäre dem Gespräch zwischen AutorInnen und LeserInnen besonders förderlich ist, hat sich die literaturWERKstatt in den drei Jahren ihres Bestehens einen ausgezeichneten Ruf erworben.

Der Spareffekt, der mit der Mittelkürzung im Landeshaushalt erzielt wird, ist minimal, macht die Literaturförderung doch gerade 0,4 Prozent des Kulturetats aus. Dietger Pforte, der Literaturbeauftragte des Kultursenators, hält die Klagen der literaturWERKstatt zwar für berechtigt, verweist aber auf die prekäre Haushaltslage des Landes.

Auch die anderen Literaturhäuser, die Neue Gesellschaft für Literatur und die Autorenförderung müßten bluten. Umverteilungen innerhalb der Literaturförderung seien notwendig gewesen, um den Bestand von LesArt, des Berliner Zentrums für Kinder- und Jugendliteratur, zu sichern. „Es ist uns gelungen, die Grundstruktur der Literaturförderung zu bewahren, in der Hoffnung, diese Notzeit zu überbrücken“, sagt Pforte. „Im Ländervergleich nimmt Berlin in diesem Bereich immer noch eine Spitzenstellung ein.“

Pforte will sich dafür einsetzen, daß die literaturWERKstatt vermehrt Drittmittel erhält, um das Finanzloch bei ihrer Programmgestaltung auszugleichen. Schon in der Vergangenheit waren anspruchsvolle Programme des Hauses nur mit Hilfe von Stiftungsgeldern durchführbar. Doch auch diese Geldquelle versiegt. Die Mittel der „Stiftung Kulturfonds“, die beispielsweise das Joseph-Roth- Symposion im Herbst unterstützt hat, schrumpfen im kommenden Jahr auf ein Drittel. Sponsoren aus der Wirtschaft sind erfahrungsgemäß kaum zu gewinnen, da Literaturprogramme weniger repräsentativ und spektakulär sind als der Ankauf von bildender Kunst und das Sponsoring von Theaterprojekten.

Bei den Mitarbeitern der literaturWERKstatt wächst der Frust, weil ihre Energie und Kreativität immer mehr von der Geldbeschaffung absorbiert wird, anstatt sich in inhaltlicher Arbeit niederzuschlagen. Langfristige Projekte sind wegen der finanziellen Unwägbarkeiten kaum noch planbar. Margit Manz fürchtet sogar, daß das Haus zu Tode gespart wird: „Wenn hier nichts mehr läuft, wird auch das Publikum wegbleiben, und dann kann man es doch gleich ganz dichtmachen.“

Programm und Info: literaturWERKstatt Pankow, Majakowskiring 46/48, Telefon: 482 47 65.

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