Eine Art moderne Sklaverei

■ Auf dem Weltmarkt des Elends werden junge Frauen für die reichen Länder der Welt angeboten. Der Oman ist dabei keine Ausnahme: dort sind es die Filipinas für die Kinder oder die Lust der Männer

Im Flughafenwartesaal fällt mir besonders eine Gruppe von drei tiefschwarz verschleierten Frauen mit mehreren Kindern auf, die ein ernst blickendes junges Kindermädchen von den Philippinen dabeihaben. Die junge Filipina trägt europäische Kleidung, einen knielangen Rock und eine Strumpfhose mit vielen Laufmaschen, trotz der großen Hitze von 38 Grad. Offensichtlich ist sie dazu verpflichtet, ihre nackten Beine zu verhüllen. Außerdem geht sie stets einige Schritte hinter ihrer schwarz verschleierten Frauschaft und sitzt abseits an einem Tisch mit den kleinen Kindern. In einer anderen Ecke des Flughafens unterhält sich eine gutgekleidete Filipina selbstbewußt mit einem Landsmann, der an der Restauranttheke arbeitet. Das Kindermädchen bewegt sich vorsichtig zu ihrer Landsfrau hinüber und trägt dabei das omanische Baby bei sich. Schüchtern steht sie einige Minuten neben dem angeregt plaudernden philippinischen Paar und hofft darauf, daß sie sich ihr zuwenden. Doch die beiden Plaudernden reagieren gar nicht, bemerken sie vielleicht nicht. Schließlich geht sie wieder zurück an den Kindertisch, nur um nach wenigen Minuten einen zweiten Versuch zu unternehmen. Diesmal mit dem dreijährigen Omanikind auf dem Arm, versucht sie es erneut und ganz nahe an unserem Tisch, so daß ich genau ihre verzweifelte Mimik sehen kann. Die Sprache, in der sie die Frau anspricht, verstehe ich nicht. Sie stößt ein paar aufgeregte Sätze hervor und schiebt ihr einen Geldschein zu. Dabei laufen Tränen über ihr Gesicht. Ihrer omanischen Frauschaft hat sie den Rücken zugekehrt. Die Dreijährige ist unzufrieden, weil sie sich vernachlässigt fühlt. Trotzdem reden die beiden Frauen weiter, tun so, als ob sie sich kennen und ein nebensächliches Gespräch führen, doch die verzweifelten Gesichtszüge sprechen eine andere Sprache. Nur wenige Minuten bleiben ihr, dann wird der Flug aufgerufen, und sie muß wieder zu ihren Arbeitgeberinnen.

In den Zeitungen lese ich einige Anzeigen, die Vermittlung junger Kindermädchen von den Philippinen anbieten. Ich sehe fast ausschließlich junge, hübsche Frauen, die im Oman als Kindermädchen oder in den Hotels als Kellnerinnen oder leichtbekleidete Sängerinnen auftreten. Hier treffen zwei Kulturen kraß aufeinander. Die Mädchen bewerben sich in ihrer Heimat auf Anzeigen, die ihnen versprechen, aus dem Elend herauszukommen. Im Oman treffen sie zumeist unvorbereitet ein. Sie müssen erfahren, daß ihre normale Kleidung und die offenen, sichtbaren Haare als anstößig empfunden werden. Die Frauen lehnen sie deshalb ab, und die Männer lassen ihrer Phantasie mehr oder weniger praktischen Lauf. Da ihnen meist von ihren Arbeitgebern die Pässe abgenommen wurden, können sie sich kaum gegen die Männer wehren und müssen gleichzeitig die Verachtung und Eifersucht ihrer Arbeitgeberinnen ertragen. Die Tränen der jungen Frau und ihr Verhalten sprechen mehr als tausend Erklärungen. Auf dem Weltmarkt des Elends werden junge Frauen für alle reichen Länder der Welt angeboten. Der Oman ist bei diesem ungleichen Deal keineswegs eine Ausnahme. In deutschen Bordellen oder Zeitungsannoncen finden sich ihre Leidensgenossinnen aus Thailand, dem weiten Osteuropa oder von den Philippinen. Gisela Frese