Barschels Zeuge – ein Stasi-Mann?

■ War der ominöse Informant, den Uwe Barschel kurz vor seinem Tode in Genf getroffen haben will, ein DDR-Spion?

Hamburg/Berlin (dpa/taz) – Gab es den Informanten Robert Roloff, von dem Uwe Barschel, wenige Stunden vor seinem Tod entlastendes Material bekommen haben will? Laut Informationen „aus Bonner Sicherheitskreisen“, die das Nachrichtenmagazin Focus in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht, verbirgt sich hinter dem Decknahmen Roloff der Ex- Oberst der DDR-Staatssicherheit, Peter Feuchtenberg, ein enger Vertrauter des früheren DDR- Spionagechefs Markus Wolf. Diese Information werde in Bonn als „absolut seriös“ eingeschätzt. Die „neue Nachrichtenlage“ werde dem im Falle Barschel ermittelnden Oberstaatsanwalt Heinrich Wille „auf dem schnellsten Wege zugestellt“.

In Barschels letzten Aufzeichnungen, die in seinem Hotelzimmer gefunden worden waren, heißt es: „Treffen mit R.R. hat geklappt. Tatsächlich. Er hat mir viel erzählt.“ Barschels Schwester gab nach dessen Tod zu Protokoll, ihr Bruder habe ihr in einem von Genf aus geführten Telefongespräch am 10. Oktober von dem Treffen mit Roloff berichtet. „An der Stimme meines Bruders merkte ich sofort, daß er erleichtert war.“ Er habe Informationen bekommen, die beweisen würden, „daß ein Komplott gegen ihn geschmiedet worden sei“. Roloff, so Barschels letzte Aufzeichnungen, wollte dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten noch am Abend vor seinem Tode ein Photo übergeben, auf dem Barschels Medienreferent Pfeiffer und dessen „wahre Hintermänner“ zu sehen sein sollten. Zur Übergabe des Photos kam es nicht mehr.

Bislang wurden Barschels Hinweise auf den unbekannten Entlastungszeugen als gezielte, von Barschel gelegte Spuren bewertet, um seinen Selbstmord als Mord zu verschleiern. Und auch der Geheimdienstmann Feuchtenberger will von seiner Identität als Barschel- Informant Roloff nichts wissen. Sein Kommentar, laut Focus: „Alles Blödsinn“.

Barschel war 1987 tot in einer Badewanne eines Genfer Hotels gefunden worden. Die Behörden gingen bisher von Selbstmord aus. Aufgrund eines neuen toxikologischen Gutachtens sieht die vom Bundesgerichtshof mit dem Todesermittlungsverfahren beauftragte Lübecker Staatsanwaltschaft „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden“.

Als „Hirngespinst“ und „reine Spekulation“ bewertet der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Heribert Hellenbroich, die jüngsten Enthüllungen im Falle Barschel. So hat der FDP- Bundestagsabgeordnete, Jürgen Koppelin, jetzt berichtet, es gäbe Hinweise auf eine Verwicklung Barschels in ein Geschäft mit radioaktivem Spaltmaterial. Ihm liege ein Bericht vor, in dem von einer Lieferung der Substanz „WG 235“ aus Schweden nach Indien via Kiel die Rede sei, sagte Koppelin der Berliner Zeitung.

Ob Roloff jetzt aufgetaucht ist, bleibt unklar. Immerhin ist der frühere Barschel-Referent Reiner Pfeiffer wieder da – in Frankreich im Urlaub. Er will am 16. Januar vor dem Schubladen-Ausschuß in Kiel aussagen. Spekulationen der letzten Tage, er sei „verschwunden“ und „nicht auffindbar“, bezeichnete Pfeiffer als „völligen Quatsch“. eis