Sylvester am Sielwall - Feier und doch Scherben

■ Tausende auf der Straße / Scheiben gezielt bei kleinen Läden eingeschlagen / Vgl. ausführlichen Bericht Seite 5

„Eine dumme Sache ist das. Wir müssen jetzt erstmal schauen, ob die Versicherung das überhaupt zahlt.“ Die betagte Christa Halem, Mitinhaberin des Papierwarenhandels Hübscher am Ostertorsteinweg, ist genervt. Auch eine Schaufensterscheibe ihres Geschäfts ist in der Sylvesternacht zerstört worden. „Vor allem muß ich mich jetzt darum kümmern und ich bin schließlich auch nicht mehr die Jüngste.“

Von den Ausschreitungen am Sielwall hat sie selbst nichts mitbekommen. „Gestern so zwischen halb eins und eins rief eine Nachbarin vom Ostertorsteinweg an. Wir wohnen ja nicht in dem Haus, aber auch im Viertel und haben zu Hause gefeiert.“ Mit einem Angriff auf ihre Schaufensterfront hatte sie nicht gerechnet. „Wir sind bisher immer verschont geblieben. Aber das waren wohl wieder die, die Sylvester jetzt immer Krawall machen“, sagt Christa Halem. Früher, ja früher, da sei Sylvester im Viertel viel schöner gewesen. „Da gab es dann auf der Insel bei der Wulwesstraße immer ein ganz tolles Feuerwerk. Aber seitdem die sich einmal mit der Polizei angelegt haben, ist es eben anders. Ja, es ist traurig, daß das immer wieder vorkommt.“

Auf die Wirkung des Festes hatte ältere Dame nicht vertraut: „Ich hab' das gleich gesagt, daß das nichts wird. Da wird erst Glühwein ausgeschenkt, da trinken die sich Mut an und dann geht's los. Eigentlich schade,“ fügt sie hinzu, „weil im Grunde ist das mit dem Fest schon eine gute Sache.“

Der Papierwarenladen Hübscher gehört zu den alteingesessenen Geschäften am Ostertorsteinweg. Christa Halem erzählt: „Meine Schwester und ich haben das Geschäft früher gemeinsam unter dem Namen unseres Vaters betrieben. Vor 3 Jahren haben wir das Geschäft aus Altersgründen aufgegeben und Herr Wesemann, ein Rentner, hat seitdem für uns den Ausverkauf gemacht.“ Jetzt bleibt der Laden geschlossen – für immer.

Teuer wird die Sylvesternacht auch für die anderen kleinen Ladeninhaber, deren Scheiben eingeschlagen wurden. Banken und teure Geschäfte wurden offenbar diesmal bewußt verschont. Die Mehrzahl der Landeinhaber war aber in der Nacht selbst noch überzeugt von der Idee des Festes.

Nicht nur wegen der hin- und herziehenden Gruppen jugendlicher Vermummter, die das Fest verhindern und Polizeieinsätze provozieren wollte, war die Feier auf dem Ostertorsteinweg nervig - auch wegen der unkontrollierten Knallerei. Je später der Abend, desto mehr hatten auch ihre ausgetrungenen Flaschen auf der Straße in Scherben geschlagen, Betrunkene torkelten umher - das Risiko, „eins abzukriegen“, lauerte oben, unten, rechts und links. dam/kw