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Moderne Fabrik für Haushaltsseife

„Die tägliche Spülung“ (Serie): In einem neuen Produktionszentrum des WDR läuft mit „Verbotene Liebe“ die erste vollautomatisch gefertigte Daily Soap der ARD vom Band  ■ Von Reinhard Lüke

Das Produkt heißt „Verbotene Liebe“, ist weder ein verkehrshemmender Tampon noch ein gemeinsames Positionspapier der Herren Fischer und Schäuble, sondern eine Seife, die ähnlich wirkt und aussieht wie andere Seifen und ab heute via Bildschirm bundesweit vertrieben wird.

Hergestellt wird die TV-Ware in einem schlichten Fabrikkomplex (Marke Plattenbau mit ein paar postmodernen Ornamentelchen), den der WDR auf seinem Gelände in Köln-Bocklemünd in Rekordzeit aus dem Boden stampfen ließ. In zwei Studios mit 1.700 Quadratmetern Gesamtfläche wird hier seit Oktober letzten Jahres mit allerfeinster Technik fließbandmäßig und arbeitsteilig die erste Daily Soap der ARD zusammengeschustert. Tagesausstoß der Seifenfabrik: 25 sendefertige Minuten. Sowas mag die „Lindensträßler“, die sich nur ein paar Meter entfernt wesentlich geruhsamer durch ihre Alltagssorgen quälen, noch schocken, entspricht aber bei diesem Format dem inzwischen üblichen Standard.

Und doch ist bei „Verbotene Liebe“ manches noch ein bißchen anders. Zumindest produktionstechnisch. Zum einen vereint die maßgeschneiderte Fabrik auf weiteren 3.000 Quadratmetern von Autorenteams über Casting-Büros für massenhaft benötigte Nebendarsteller bis zur Postproduction auch sämtliche Zulieferbetriebe unter einem Dach. Zum anderen handelt es sich hier um ein so noch nicht dagewesenes Joint-venture- Projekt zwischen einem öffentlich- rechtlichen Sender und der Privatindustrie. Der WDR stellte nicht nur für rund 20 Millionen Mark die Hallen nebst Ausstattung auf die Wiese, sondern vermietet als Dienstleister darüber hinaus auch noch das gesamte technische Personal der Serie an den Produzenten „Ufa Grundy TV“.

Wie jedes kostenintensive Dauerlaufprodukt des Fernsehens wurde selbstredend auch „Verbotene Liebe“ emsig „pregetestet“, um – wie es so schön heißt – „die Akzeptanz bezüglich der Zielgruppenaffinität abzuchecken“. Das Ganze natürlich im Hinblick auf den anvisierten, vorzugsweise jugendlichen gesamtdeutschen Verbraucher. Für dieses Phantom hat die ARD ab heute zwischen 18 und 19 Uhr täglich zwei Soaps als Lockstoff für die Werbeindustrie im Regal. Denn auch der ursprünglich generationsübergreifend konzipierte „Marienhof“ wurde längst klammheimlich in Richtung „Mehr Jugend!“ modifiziert. Möglich, daß das neue ARD-Produkt „Verbotene Liebe“ auf Dauer etwas gediegener daherkommt als vergleichbare Erzeugnisse. Und sei es auch nur, weil die meisten der vorwiegend jungen und vorwiegend blonden Darsteller das Wort Schauspielschule schon mal gehört haben und sich tatsächlich mehr als zwei Sätze merken können. Aber natürlich werden auch hier Plot und Dialoge (nein, Story und Namen brauchen hier wirklich nicht zu interessieren!) in erster Linie dem Gütesiegel „galoppierender Schwachsinn“ genügen. Und das kann auch gar nicht anders sein, wenn man zwecks Steigerung der Werbeerträge alltäglich das gesunde Volksempfinden ködern möchte.

Dessen ungeachtet werden ein paar kulturtragende Kritiker übermorgen wieder ganz, ganz böse Verrisse mit dem Tenor absondern, daß es bei „Verbotene Liebe“ wenig realistisch zugehe, Adorno doch schon damals ... und überhaupt, „Die zweite Heimat“ irgendwie besser gewesen sei. Was ungefähr soviel Sinn macht, wie am neuen Opel-Astra das Fehlen eines anständigen Barfachs zu bekritteln. Wer glaubt, sich, gestützt auf eine geballte Ladung gymnasiale Oberstufe, über den Flachsinn von Daily Soaps lustig machen zu müssen, macht sich nun mal unwillkürlich lächerlich.

Zu einem besonders hübschen Ausrutscher in Sachen unfreiwillige Hochkomik hat „Verbotene Liebe“ schon im Vorfeld Anlaß gegeben. Und den leistete sich ausgerechnet die sich ambitioniert gebende Programm-Gazette TV-Today (Heft 26/94, S. 226) unter der Headline „Nicht alles wandert in den Papierkorb ...“. Mit dem hehren Bestreben, „die schönsten Fehler und Peinlichkeiten rund ums Thema Fernsehen“ der Nachwelt zu erhalten, fanden sich hier am Schluß eines längeren Ausrisses aus dem WDR-Pressetext zu „Verbotene Liebe“ folgende Sätze: „Aber Liebe kann auch weh tun. Denn was Jan und Julia füreinander empfinden, ist eine ,Verbotene Liebe‘. Jan und Julia sind Zwillinge, die kurz vor der Geburt getrennt wurden.“

Nun ist der offiziöse Werbetext gewiß von einer dem Produkt angemessenen Dämlichkeit, nur sooo dämlich war die Dichtkunst des seifigen Beipackzettels nun auch wieder nicht. Denn dort werden die Zwillinge biological correct durchaus erst „nach der Geburt“ getrennt.

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