Keiner wird gewinnen

■ Wegen mangelnden Erfolgs bei der Vierschanzentournee beruft Bundestrainer Heß vor dem morgigen Springen in Innsbruck eine "Anschißveranstaltung" ein

Berlin (taz) – Nach diversen Hüpfern von allzu bescheidenem Raumgewinn ist der Olympiasieger Christof Duffner nun doch noch richtig geflogen. „Dr Ski isch gut, aber dr Kerle nit“, hat der Schwarzwälder selbstkritisch angemerkt, und sein Bundestrainer hat sich diesem Verdikt angeschlossen und ihn heim nach Schönwald geschickt. Dabei hat die Vierschanzentournee gerade erst richtig angefangen. Oder ist sie nicht allein für den Schweigsamen zu Ende, bevor man morgen in Innsbruck und am Freitag in Bischofshofen hüpft?

Der Bundestrainer Reinhard Heß (47) mag das nicht glauben und hat darum gestern morgen seine Springer zu etwas geladen, was er, gar nicht sprachlich verbrämt, eine „Anschißveranstaltung“ geheißen hat. Wer da wie angeschissen wurde? Genaueres mochte der Thüringer nicht mitteilen, doch mächtig sauer sollen ihn weniger die fehlerbehafteten Luftfahrten der deutschen Springer gemacht haben, als vielmehr die verbalen Luftsprünge, die man hernach zur Rechtfertigung ersterer unternahm. Da ist, wie stets, Dieter Thoma zu nennen, der, von einer Schneewehe im Auslauf zu Fall gebracht, den Garmischer Wettbewerb als „komisch, kurios, unfair“ empfand. Jens Weißflog, der Doppel-Olympiasieger vom vergangenen Winter, sagt seinerseits „überhaupt nichts mehr“, außer daß man künftig die Ränge „gleich aus dem Lostopf ziehen“ könne. Das hat man getan, irgendwie, wollte er damit sagen.

Wie das so ist beim Skispringen: Die einen trägt ein Gegenwind, andere hemmt jener von der Seite, von schräg hinten (wie Weißflog) oder eine verschneite Anlaufspur. Irregulär? Selbstredend. Aber, sagt nicht nur der vormalige Bundestrainer Tusch: „Das ist halt mal so.“ Wo ein Thoma jammert, denkt etwa der Weltcupführende Andreas Goldberger nicht an das Wetter, sondern schlicht: „Mir taugt es derzeit einfach gut.“ Und tatsächlich: Es taugt. Zweimal Platz zwei für den 22jährigen Oberösterrreicher, in der Gesamtwertung liegt er nur 1,2 Punkte hinter dem Sieger von Garmisch, dem Finnen Janne Ahonen. Damit läßt sich's planen: zunächst einen Sieg am Berg Isel, dann in Bischofshofen „natürlich ganz oben auf dem Stockerl zu stehen“. Was hieße: Gesamtsieg und 50.000 Mark.

„Goldi“, hat Jens Weißflog über den Konkurrenten gesagt, „ist der Lockerste von uns allen.“ Er dagegen sei „viel ernsthafter“. Was man verstehen kann. Weißflog ist 30, hat Familie und sprang vom Rücktritt zurück, weil der Manager Schwan ihm mitgeteilt haben wird, daß trotz Doppel-Olympiasiegs das Produkt im sportlichen Ruhestand kaum zu vermarkten sei. Dies ist seine 14. Tournee, dreimal hat er gewonnen, doch jener vierte Sieg, der ihn über alle anderen Springer heben würde und den er im Vorjahr knapp verpaßte, wird ihm auch heuer nicht gelingen.

„Wir sind trotz aller Routine“, das hat er seinem Bundestrainer und den Sponsoren unlängst zu bedenken gegeben, „keine Maschinen, sondern Menschen, die auch Fehler machen.“ Genau da aber hakt der erzürnte Reinhard Heß ein. Es kämpfen die Seinen nämlich, mit Ausnahme des in der Gesamtwertung siebtplazierten Hansjörg Jäkle, nicht nur gegen die Widrigkeiten des Wetters, sondern eben auch mit eigenen Unzulänglichkeiten, als da wären technische Probleme am Schanzentisch (Heß: „Alle haben Fehler beim Absprung gemacht“) und während des Flugs. Und die in Garmisch überlegenen Finnen (1. Ahonen, 3. Solninen, 5. Nieminen, 6. Nikkola) hatten eben nicht nur günstige Lüfte, sondern sind zu versierten V-Springern gereift. „Wir hatten harte Zeiten“, sagt deren Trainer Pulli, „doch jetzt sind die zwei Jahre eben um.“

Und was die Enttäuschung des Dieter Thoma betrifft, der angemerkt hatte, man könne „so ein Springen auch mal um einen Tag verschieben“ ...kann man natürlich nicht. Die Vierschanzentournee ist verkauft, zuvorderst in Händen der Vermarktungsagentur MBD. Deren Chef Marc Beaver hat jüngst auf einen abgelaufenen Fünfjahresvertrag eine dreijährige Option wahrgenommen. Bezahlt hat er für das Schnäppchen, das andere, etwa der Weltskiverband FIS, auch gerne gehabt hätten, etwa vier Millionen Mark. Warum der Luxemburger das macht? Weil es ein prima Geschäft ist. Für alle Beteiligten. Das ist es insbesondere am Neujahrstag, wenn etwa 300 Millionen Menschen, zu verkatert für andere Umtriebe, vor dem Fernseher Silvesterregeneration betreiben. Daß das selbst Marilyn Monroe opfernde ZDF kein Interesse am einem nicht stattfindenden Springen hat, ist klar. Daß die Veranstalter ihrerseits das Fernsehen nicht vergrätzen dürfen, versteht sich. „Der Werbewert der Tournee“, sagt Marc Beaver, „hängt maßgeblich von den Medien ab.“

Das weiß natürlich auch Dieter Thoma. „Man muß einen Wettkampf haben“, hat er mißmutig gesagt, „und...“ Was Dieter? „Einer wird gewinnen.“ Wohl gesprochen: Genau das nämlich ist Fernsehen. So war das schon zu Kulis Zeiten. Nur gewann da bisweilen auch der Deutsche. Peter Unfried