In Grosny wird um jeden Häuserblock gekämpft

■ Tschetschenen halten Präsidentenpalast

Grosny/Bonn (AFP/taz) – Der Widerstand gegen die russischen Truppen in Grosny wächst. Nachdem es am Sonntag so ausgesehen hatte, als sei es den russischen Truppen gelungen, den Präsidentenpalast zu erobern, berichteten unabhängige Beobachter gestern, daß die Tschetschenen den Palast weiterhin kontrollieren. Etwa 100 Meter von dem brennenden Gebäude entfernt stünden ein Dutzend zerstörte russische Panzer. Zwischen ihnen lägen schwerverletzte und verbrannte russische Soldaten. In den Straßen der Stadt wird erbittert gekämpft. Der tschetschenische Oberkommandierende behauptete sogar, die russischen Truppen seien aus dem Stadtzentrum vertrieben. Moskau dementierte.

Der russische Bürgerrechtler Sergej Kowalojow, der sich seit Beginn des russischen Einmarsches in Grosny aufhält, berichtete, daß es Hunderte von Gefallenen und Verletzten gegeben habe. Sollte Grosny an die Russen fallen, werde die Zahl der Getöteten vermutlich in die Tausende gehen. In der Nacht zum Montag wurde ein Korrespondent der russischen Armeezeitung Krasnaja Swesda in der Nähe von Grosny von tschetschenischen Heckenschützen getötet. Ein BBC- Fernsehteam wurde von russischen Truppen daran gehindert, sich ins Kampfgebiet zu begeben. Drei russische Abgeordnete, die aus Grosny zurückgekehrt waren, baten um ein Gespräch mit Rußlands Präsident Jelzin, um ihn über die Vorgänge in Grosny zu informieren, „da er offensichtlich nicht auf dem laufenden“ sei. Sie forderten ferner die Entlassung von Verteidigungsminister Gratschow und Nationalitätenminister Jegorow. Der russischen Parlamentpräsident Rybin hat die russischen und teschetschenischen Streitkräfte aufgerufen, das Feuer einzustellen.

In Bonn betonte Außenminister Kinkel erneut, daß der Konflikt in Tschetschenien eine innerrussische Angelegenheit sei. Menschenrechtsverletzungen müßten jedoch kritisiert werden. Man müsse versuchen, möglichst über die frühere KSZE helfend einzugreifen. Heute will Kinkel mit deutschen Hilfsorganisationen Hilfsaktionen vorbereiten. her

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