UNO-Hilfswerk mischt sich in Grosny ein

Tschetschenische Flüchtlinge fallen nicht unter das Mandat der UNO, sie wird trotzdem aktiv  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Obwohl der Krieg in Tschetschenien nach Meinung Rußlands und der meisten westlichen Staaten ein „interner Konflikt“ und kein Thema für die UNO ist, wird das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) sich in der Kaukasusrepublik engagieren. Dies teilte eine UNHCR-Sprecherin gestern in Genf mit.

Anfang letzter Woche hatte die Moskauer Regierung die Genfer UNHCR-Zentrale um humanitäre Hilfe für die durch den Krieg seiner Truppen aus ihren Heimatorten vertriebenen Tschetschenen ersucht. Inzwischen autorisierte UNO-Generalsekretär Boutros Ghali ein Engagement des UNHCR. Ein Vorausteam des UN-Flüchtlingshilfswerks wartet auf die Einreisegenehmigung durch die russichen Behörden.

Das UNHCR richtet sich auf die Versorgung von zunächst 30.000 Menschen ein und hat bereits humanitäre Materialien angekauft und Transportflugzeuge gechartert. Finanziert wird die Hilfsaktion zunächst aus dem Nothilfefonds des UNHCR. Ob ein internationaler Hilfsappell ergehen wird oder die russische Regierung gesondert zur Finanzierung der Hilfsaktion aufgefordert wird, ist nach Angaben der Sprecherin noch nicht entschieden.

Lebensmittelkonvoi erreicht Grosny

Sie wies darauf hin, daß innerhalb ihres Landes Vertriebene eigentlich nicht unter das Mandat des UNHCR fallen. Dies gelte nur für Flüchtlinge, die die internationalen Grenzen ihres Landes überschritten haben. Ausnahmen vom eigentlichen UNHCR-Mandat wurden in den letzten Jahren immer häufiger gemacht: unter anderem in Afghanistan und Somalia und Jugoslawien. Im Unterschied zum Tschetschenienkrieg gab es in all diesen Fällen neben dem rein humanitären Engagement durch das UNHCR oder anderer Hilfsorganisationen der UNO aber immer auch eine Behandlung des Konflikts durch den Sicherheitsrat, den Generalsekretär oder andere Instanzen der UNO.

Gestern ist es dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zum ersten Mal gelungen, einen Lebensmitteltransport in die Region um die umkämpfte tschetschenische Hauptstadt Grosny zu schicken. Der Lastwagen erreichte ungehindert die Stadt Urusmartan, wenige Kilometer südlich von Grosny. Von dort aus koordiniert das IKRK seit Ende November Hilfsmaßnahmen für die notleidende Bevölkerung in Tschetschenien und die in die angrenzenden Gebiete geflüchteten Menschen.

Etwa 80.000 Menschen sind nach Schätzungen des Roten Kreuzes seit Beginn der Kämpfe in Tschetschenien in die benachbarte russische Republik Inguschetien geflüchtet, weitere 30.000 Menschen gingen über die Grenze nach Dagestan. In Tschetschenien, so teilte die Schweizer Rot-Kreuz- Delegierte Jennifer Jachimow mit, seien etwa 250.000 Menschen auf der Flucht.