Wer schoß beim „Showdown“ am Rhein?

■ Drei tote TKP/ML-Mitglieder nach Versuch, in türkischem Lokal abzukassieren

Frankfurt am Main (taz) – Fünf sichergestellte Schußwaffen und drei Todesfälle: So sieht das vorläufige Ermittlungsergebnis von Polizei und Staatsanwaltschaft drei Tage nach dem „Showdown“ zwischen der Polizei, vier mutmaßlichen Mitgliedern der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und Besuchern des Lokals „Hardcore“ in Germersheim/Rhein aus. Beim Schußwechsel in der Silvesternacht wurden der 47jährige Mustafa A. aus Mannheim, der 31jährige Nurretin T. aus Heidelberg und der 29jährige Mustafa A. aus Frankfurt am Main tödlich getroffen.

Zusammen mit dem inzwischen in U-Haft sitzenden Hüseyin G. hatte das Quartett versucht, die Gäste des türkischen Lokals auszurauben. Nach Angaben von Zeugen hätten die schwer bewaffneten Täter zuvor erklärt, Geld für den Kampf der TKP/ML „sammeln“ zu wollen. Wie die Polizei gestern in Ludwigshafen erklärte, wurde in den Wohnungen der vier umfangreiches Propagandamaterial der TKP/ML sichergestellt.

Zum Verhängnis wurde dem TKP/ML-Inkasso-Team der Umstand, daß sich einer der türkischen Männer im „Hardcore“ unbemerkt aus dem Lokal schlich und die Polizei informierte. Die traf nur eine Minute später am Tatort ein. Nach Angaben der Polizei haben die Räuber „sofort“ das Feuer auf die Besatzung der Funkstreife eröffnet. Ein 30jähriger Polizeibeamter sei von vier Kugeln getroffen worden, habe noch zurückschießen können – und sei dann zusammengebrochen. Nach einer wilden Schießerei lagen am Ende drei der vier Verbrecher tot am Boden. Der vierte Täter wurde von einer Polizeibeamtin überwältigt. Der angeschossene Beamte sei inzwischen „außer Lebensgefahr“.

Die Obduktion der Leichen der Erschossenen zeitigte dann ein „überraschendes Ergebnis“ (Polizei). Die in den Körpern der Toten gefundenen Projektile hätten alle das Kaliber 7,65 Millimeter – die beteiligten Polizisten hätten aber 9-Millimeter-Pistolen gehabt. Wer die mutmaßlichen TKP/ML-Mitglieder erschossen habe, sei eine noch offene Frage. Die Mordkommission Ludwigshafen steht nach eigener Aussage nun vor dem Problem, daß keiner der im „Hardcore“ anwesenden Gäste „diesbezügliche Wahrnehmungen“ habe machen können. Und der vierte Täter schweige beharrlich.

Im hessischen Verfassungsschutzbericht ist die TKP/ML mit ihren Unterorganisationen – wie etwa dem militanten Flügel „Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee“ (TIKKO), oder der „Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland“ (ATIF) – als Organisation der extremistischen „Neuen Linken“ aufgeführt. Ziel der Partei sei der „revolutionäre, gewaltsame Umsturz in der Türkei“. TKP/ML- Mitgliedern werden vom VS Morde und Mordversuche an türkischen Staatsbürgern vorgeworfen. Auch an Anschlägen auf türkische Einrichtungen in Deutschland seien die maoistisch orientierten TKP/MLer beteiligt gewesen.

Wie linksorientierte Türken anderer Organisationen in Frankfurt am Main berichten, habe sich die TKP/ML erst vor wenigen Monaten in mehrere Flügel aufgespalten. Die kleinen Gruppen, so ein Ex-TKP/ML-Mitglied, seien aus „brutalen Kämpfern“ zusammengesetzt, die sich – „aufgrund der Isolation in der türkischen Szene in Deutschland“ – mit „kriminellen Machenschaften“ Geld für den Waffenkauf beschafften. Auch die Polizei Ludwigshafen verwies auf zwei weitere Überfälle auf Gaststätten in Essen und in Frankfurt im Dezember 1994, bei denen die Gäste „abkassiert“ worden seien. In Essen fielen den Räubern dabei 60.000 Mark in die Hände. Klaus-Peter Klingelschmitt