Dein Feind, die Spurrille

■ Radgleiten statt Radfahren – gestreut wird fast nur auf Brücken, an Kreuzungen und Steigungen

Neidisch beäugen in diesen Tagen Bremens RadlerInnen die Bodenverhältnisse rechts und links ihrer festgefrorenen Spurrillen: auf der einen Seite von den HauseigentümerInnen freigeräumte Gehwege, auf der anderen Seite schnee- und eisfreie Straßen. Dazwischen die RadlerInnen, auf schneefreien schmalen Bändern eiernd, von Eis-Schnee-Warzen abrutschend... Nicht aufregen, meint Rainer Imholze, Sprecher der Baubehörde: „Auch viele Straßen werden nicht geräumt, reine Wohnstraßen zum Beispiel.“ Bloß tauen die, aufgewärmt von Autos, von alleine auf.

„Schuld“ an so mancher Rutschpartie ist der „Winterdienst-Katalog“ der Stadt. Der sieht nun mal verschiedene Dringlichkeitsstufen vor: In die weniger dringliche Stufe 2 gehören zum Beispiel Wohnsammelstraßen oder die „Verbindungsstraße“ Humboldtstraße. In die Dringlichkeitsstufe 1 gehören die Hauptverkehrsstraßen, allen voran die Brücken über die Weser: Die wurden deshalb gestern früh um 1.20 Uhr als erste mit einem Flüssigsalz berieselt.

Doch in der Dringlichkeitsstufe 1 sind auch 21 problematische Radweg-Abschnitte, die allerdings erst ab 4.00 Uhr gestern morgen drankamen: Brücken, Kreuzungen und Steigungen – zum Beispiel die zur Weserdüne mit dem Dom ansteigende Dechanatstraße oder der Breitenweg stadtauswärts bis zur Oldenburger Straße.

Andere Radwege wie der an der Bismarckstraße „kommen nach unseren Möglichkeiten dran“, sagt Dieter Hasloop, Sprecher der BEB, der Bremer Entsorgungsbetriebe. (Die BEB ist für den Winterdienst in Bremen Mitte zuständig, das Amt für Straßen- und Brückenbau für den Winterdienst in den Randbezirken.) Vorrang vor dem Schutz der RadlerInnen hat der Schutz der FußgängerInnen, sagt Hasloop. „Denn zu Fuß gehen muß jeder können.“ Radfahren wird dann eben zu einer Art Luxus. Personal und Geld reichten nicht für jeden Radweg, so Hasloop. Immerhin hat Bremen 2.578 Straßen.

Beim Großeinsatz gestern früh waren in Mitte 107 RäumkollegInnen unterwegs: mit 18 großen Streufahrzeugen und 13 Klein-Lkw mit „Handkolonnen“, die unfallgefährdete Stellen wie die Dobbenkreuzung per Hand „abstreuten“. Auf Rad- und Gehwegen rotierten 18 Winterdienstkleinfahrzeuge, intern „Hutschelfiedeln“ genannt. Die können Schnee pflügen, mit einer Walze fegen und haben hintendrauf noch einen Streuer.

Solche „Hutschelfiedeln“ kurven auch über so manchen Radweg in Parks – eigentlich müssen öffentliche Parkanlagen nicht geräumt werden, da sie nicht unter die Landesstraßenordnung fallen, sagt Dieter Heuer vom ehemaligen Gartenbauamt, jetzt „Stadtgrün Bremen“ – doch aus Sicherheitsgründen streut man zum Beispiel die Radstrecke zwischen Bischofstor und Bischofsnadel, am Kennedyplatz, unterhalb der Mühle in den Wallanlagen oder oben auf dem Osterdeich. Gegen Spurrillen hilft allerdings auch kein Granlulat, da müßte Salz her – doch das ist auf Radwegen verboten.

Wer sich nicht auf vereiste Radwege traut, kann ausnahmsweise auf der Straße fahren, ohne eine Verwarnung zu riskieren, sagt Ruth Steinacker vom Bundesverband des ADFC. Vereisung und Schneeverwehungen können Radwege unzumutbar machen. Bloße Regenpfützen allerdings reichen nicht. Klagen gegen eine Kommune kann man übrigens erst, wenn man auf nichtgeräumtem Radweg gestürzt ist.

Trotz aller Spurrillen – den Bremer RadlerInnen geht's noch gold im Vergleich zu den HamburgerInnen: Dort streiten sich Stadtreinigung und Bezirksämter, wer die Radwege räumen muß. Und so bleiben sie sich selbst überlassen

cis